Volkskrankheit Depression (Seite 7/11)

Ergänzende Behandlungsformen bei Depressionen

Neben der Psychotherapie gibt es zahlreiche vielversprechende Unterstützungsmöglichkeiten, die die Behandlung einer Depression wirksam ergänzen:

  1. Wachtherapie
  2. Lichttherapie
  3. Elektrokonvulsionsbehandlung (EKT)
  4. Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
  5. Vagusnervstimulation
  6. Ergotherapie
  7. Soziotherapie
  8. Kunst- und Musiktherapie
  9. Entspannungsverfahren
  10. Apps zur Unterstützung in der Depressionsbehandlung
  11. Psychedelische Medikamente

Wachtherapie

Diese wird vor allem bei schweren Depressionen im Rahmen einer stationären Behandlung eingesetzt. Die Patienten bleiben entweder die ganze Nacht oder während der zweiten Nachthälfte wach und dürfen erst wieder in der darauffolgenden Nacht schlafen. Erstens ist vor allem der Tiefschlaf der ersten Nachthälfte entscheidend und zweitens schlafen depressive Menschen meistens in der zweiten Nachthälfte nicht mehr so gut oder gar nicht.
Durch den Schlafentzug erleben viele Patient:innen eine deutliche Stimmungsaufhellung. Diese hält zwar meist nur ein bis zwei Tage an, gibt vielen Betroffenen aber die Hoffnung, dass eine Besserung überhaupt möglich ist.

Lichttherapie

Vor allem im Winter wird diese Form der Therapie auch als Ergänzung zu Psychotherapie oder Medikation eingesetzt. Ursprünglich wurde sie für Menschen mit einer Winterdepression entwickelt, inzwischen weiß man, dass sie auch bei allen anderen Depressionen unterstützend wirkt, wenn sie konsequent durchgeführt wird.

Die Lichttherapie trägt dazu bei, dass der Tag-Nacht-Rhythmus sich wieder normalisiert, ebenso kann sie zu einem ausgeglicheneren Serotinin-Haushalt beitragen. Der Patient sitzt dabei täglich etwa 30 Minuten vor einem Leuchtschirm, der Licht mit einer Helligkeit von mindestens 10.000 Lux ausstrahlen sollte. Die Lampen sind erschwinglich, so dass man sie auch für den privaten Haushalt kaufen kann.

Die Lichttherapie wird empfohlen für Menschen mit leicht- bis mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störungen, die einem saisonalen Muster folgen.

Wer sich täglich, am besten morgens, draußen bei Sonnenschein bewegt, trägt übrigens sehr viel zu einem ausgeglichenen Serotoninhaushalt bei.

Elektrokonvulsionsbehandlung (EKT)

Diese Form der Behandlung wird bei Menschen mit einer schweren Depression, die nicht genug auf Medikamente ansprechen, angewendet. Unter Narkose erhalten Patient:innen einen kurzen elektrischen Stromstoß. Als Nebenwirkung einer EKT können vorübergehend Herzfrequenz- und Blutdruckerhöhung, Kopf- und Muskelschmerzen oder Übelkeit auftreten. Doch diese Therapie kann sehr wirksam sein: Schon nach sechs Zyklen innerhalb von zwei Wochen entsteht eine Verbesserung des Zustands des Patienten. Im Anschluss an die EKT wird eine medikamentöse Therapie begonnen, um einen erneuten Rückfall in die Depression zu vermeiden.

Die EKT wird nur an bestimmten Kliniken angeboten, unter anderem weil dafür eine Narkose nötig ist.

Transkranielle Magnetstimulation (TMS)

Dies ist ein relativ neues Verfahren, bei der die Nervenzellen des Gehirns durch ein Magnetfeld angeregt werden. Denn bei einer Depression sind die Aktivitäten in Hirnbereichen, die für die Lenkung von Gefühlen und Gedanken verantwortlich sind, verändert. Dadurch kommt es zu einer verstärkten Wahrnehmung und Verarbeitung negativer Informationen. Dies führt zu der für die Depression typischen negativen Verzerrung von Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Gedächtnis.
Mit der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) wird mittels Magnetimpulsen die Erregbarkeit von Nervenzellen der Hirnrinde schonend beeinflusst. Die Impulse werden von einer Spule, die an den Kopf gelegt wird, transkraniell - das bedeutet auf Deutsch durch den Schädel hindurch - abgegeben, um die Balance der Hirnaktivität wiederherzustellen und dadurch die Erholung von der Depression zu fördern. Diese Behandlungsform ist aufgrund bisheriger Forschungsergebnisse als neue Therapiemöglichkeit der Depression wissenschaftlich bereits anerkannt.

Vagusnervstimulation

Die Vagusnervstimulation ist für die Behandlung therapieresistenter Depressionen zugelassen. Therapieresistent meint in diesem Falle, dass die Behandlung mit konventionellen Therapiemethoden wie Psychotherapie oder Psychopharmaka nur wenig Erfolg gebracht hat.

Ergotherapie

Den Erkrankten wird in der Ergotherapie eine Struktur aufgezeigt, wie sie sich im Alltag selbst versorgen, ihre Freizeit organisieren und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Soziotherapie

Schwer psychisch kranke Menschen sind häufig nicht in der Lage, ihren Alltag zu organisieren und selbstständig Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie können unter Fähigkeitsstörungen wie Kontaktstörungen und dem Verlust sozialer Bezüge leiden. Soziotherapie kann in solchen Fällen eine wertvolle Unterstützung sein und sie stellt den regelmäßigen Besuch beim Facharzt beziehungsweise Psychotherapeuten sicher.

Kunst- und Musiktherapie

Musiktherapie hilft, den Zugang zu den Gefühlen wiederzufinden und ihnen durch Rhythmus und Klang Ausdruck zu geben. Auch die Kunsttherapie kann dem depressiven Menschen helfen, wieder mehr in Kontakt zu sich selbst zu treten.

Entspannungsverfahren

Die medizinische Wirksamkeit von progressiver Muskelentspannung und autogenem Training wurde durch sehr viele Studien belegt. Es konnte längst nachgewiesen werden, dass leichte und mittelgradige Depressionen und andere psychische Störungen mit diesen Entspannungsverfahren gelindert werden können.

Apps zur Unterstützung in der Depressionsbehandlung

Digitale Gesundheitsanwendungen zur Förderung des Selbstmanagement

Neben online-Foren werden Programme im Internet sowie Smartphone-Apps angeboten, um Patient:innen mit Depression in einem aktiven Umgang mit der Erkrankung, auch Selbstmanagement genannt, zu unterstützen.

In solchen Programmen und Apps lernen Betroffene beispielsweise ihre Stimmung regelmäßig zu beobachten, den Tag zu strukturieren, Strategien für einen gesunden Schlaf oder im Umgang mit negativen Gedanken zu entwickeln. Die meisten dieser Programme basieren aktuell auf Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie und unterstützen Betroffene dabei, diese in den eigenen Alltag zu übernehmen.

Die Wirksamkeit solcher Programme ist gut belegt, wenn sie mit ärztlicher oder psychologischer Unterstützung genutzt werden. Diese Begleitung bedeutet, dass ein Ansprechpartner zur Verfügung steht, der bei Fragen oder Problemen helfen kann und eine regelmäßige Teilnahme am Programm unterstützt.

Ein von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe bereitgestelltes kostenfreies Online-Selbstmanagementprogramm ist beispielsweise das iFightDepression Tool.

In sechs Workshops erlernen Betroffene hilfreiche Techniken im Umgang mit Depression. Das Programm richtet sich an Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren mit leichten Depressionen.

Psychedelische Medikamente

Verschiedene wissenschaftliche Studien berichten, dass mit Psychedelika unterstützte Psychotherapie eine vielversprechende Behandlung für verschiedene psychische Störungen sein kann.

Psilocybin und andere Psychedelika wirken auf der neurobiologischen Ebene und beeinflussen andererseits aber auch das menschliche Bewusstsein. Sie regen das neuronale Wachstum an, was zu einer erhöhten psychologischen Flexibilität, Offenheit und dem Entstehen neuer Perspektiven führen kann. Ein durch Psychedelika aktiviertes Gehirn vernetzt sich während der Wirkung stärker und es neigt dazu, spielerischer und phantasievoller zu sein, und ist somit eher in der Lage, sich herausfordernden Erfahrungen oder Erinnerungen zu stellen und mit mehr Widerstandskraft (Resilienz) und Kreativität zu reagieren.

Ein breiterer Zugang zu psychedelischen Therapien mit Psilocybin und LSD außerhalb von klinischen Studien vor deren Zulassung als Medikamente ist nicht möglich. Eine Ausnahme ist der Compassionate Use und der Off-Label-Einsatz des atypischen Psychedelikums Ketamin. Ketamin kann wertvolle veränderte Bewusstseinszustände erzeugen, die in der Psychotherapie eingesetzt werden.

Compassionate Use bedeutet, dass man Patient:innen In besonders schweren Krankheitsfällen mit nicht zugelassenen Arzneimitteln behandeln darf, wenn die Behandlung mit zugelassenen Arzneimitteln nicht erfolgreich war. Off-Label-Einsatz meint, dass ein Arzneimittel außerhalb der von den nationalen oder europäischen Zulassungsbehörden genehmigten Anwendungsgebiete (Indikationen, Patientengruppen) verabreicht werden darf.

Ketamin ist als Narkose- und Schmerzmittel entwickelt worden und wird seit über 50 Jahren weltweit genutzt. Es ist ein besonders sicheres und nebenwirkungsarmes Medikament. Eine Ketamininfusion in geringerer Dosierung kann psychedelische Erfahrungen erzeugen und eine schnell eintretende antidepressive Wirkung zeigen. Ketamin wird als Infusion im Zusammenhang mit einer Psychotherapie verabreicht, um psychotherapeutische Prozesse zu vertiefen und das Leiden an psychischen Erkrankungen zu lindern.