Co-Abhängigkeit (Seite 2/7)
Phasen der Co-Abhängigkeit
Entwicklung von Co-Abhängigkeit verläuft bei vielen Angehörigen nach ähnlichem Muster
Co-Abhängigkeit kann sich in einer Reihe verschiedener Verhaltensweisen äußern. Häufig lassen sich im zeitlichen Verlauf der Sucht unterschiedliche Verhaltensweisen beobachten. Experten beschreiben drei verschiedene Phasen, die aber nicht in jedem Fall genauso auftreten müssen.
1. Beschützerphase
Typisch zu Beginn der Suchterkrankung ist, dass die Angehörigen noch hoffen, dass der Betroffene die Sucht aus eigener Kraft überwinden kann. Sie bringen ihm viel Mitgefühl und Zuwendung entgegen und möchten ihn vor den negativen Folgen seiner Sucht schützen.
Dazu gehört, dass sie dem Suchtkranken Aufgaben abnehmen oder dass sie die Sucht vor anderen herunterspielen oder verheimlichen.
Es kann auch sein, dass Angehörige die Sucht entschuldigen und sie zum Beispiel mit einer schweren Kindheit oder einer aktuell schwierigen Lebenssituation erklären.
Durch dieses Verhalten tragen die Angehörigen jedoch dazu bei, dass der Suchtkranke seiner Sucht weiter ungehindert nachgehen kann und sich die Sucht möglicherweise verstärkt.
2. Kontrollphase
In einer späteren Phase versuchen Co-Abhängige häufig, dem Suchtkranken zu „helfen“, indem sie versuchen, den Konsum des Suchtmittels zu kontrollieren oder zu verhindern. So kann es sein, dass ein Angehöriger die Wohnung regelmäßig nach Alkohol bzw. Drogen durchsucht und diese wegwirft oder dass er den Suchtkranken und seinen Konsum ständig überwacht.
Allerdings erreichen die Angehörigen damit nicht das Ziel, dass der Suchtkranke weniger Alkohol, Drogen oder Medikamente nimmt oder die Sucht ganz überwindet.
Stattdessen führt ihr Verhalten nur dazu, dass der Betroffene das Suchtmittel heimlich nimmt und den Konsum vertuscht oder leugnet. Daraufhin reagieren die Angehörigen oft enttäuscht oder verärgert.
3. Anklagephase
Wenn die Sucht über längere Zeit besteht, sind die Angehörigen oft resigniert oder wütend, weil der Suchtkranke sein Verhalten nicht ändert und nicht von seiner Sucht loskommt. Sie machen ihm Vorwürfe, drohen ihm oder verhalten sich ablehnend und sogar verächtlich.
Auch damit erreichen sie jedoch nicht, dass der Betroffene sein Verhalten ändert. Stattdessen fühlt er sich in die Enge getrieben und macht möglicherweise Versprechungen, die er nicht einhalten kann. Oft kommt es zwischen Angehörigem und Suchtkrankem immer wieder zu Streit.
Schließlich kann es sein, dass der co-abhängige Angehörige nicht mehr bereit ist, dem Suchtkranken zu helfen und ihn nicht weiter unterstützt oder den Kontakt ganz abbricht.
90 Prozent der Co-Abhängigen sind Frauen
Genaue Zahlen zur Häufigkeit von Co-Abhängigkeit in Deutschland gibt es nicht. Es wird geschätzt, dass es hierzulande etwa acht bis zehn Millionen co-abhängige Angehörige von Menschen mit einem problematischen Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenkonsum gibt.
Frauen haben ein deutlich höheres Risiko, co-abhängig zu werden als Männer. Etwa 90 Prozent der Co-Abhängigen sind Frauen. Das liegt zum großen Teil daran, dass Männer deutlich häufiger an Suchterkrankungen leiden als Frauen: 80 Prozent der Suchtkranken sind Männer.
Als weiterer Grund wird diskutiert, dass Mitgefühl und Fürsorge für Frauen wichtiger sind als für Männer und dass Frauen es stärker als ihre Aufgabe ansehen, sich um Beziehungen zu kümmern und sie aufrechtzuerhalten.
Zudem entwickeln Menschen, die wenig selbstsicher sind oder die dazu neigen, sich an andere zu klammern, möglicherweise eher eine Co-Abhängigkeit als andere Menschen.
Kinder suchtkranker Eltern sind besonders gefährdet für eine Co-Abhängigkeit
Besonders gefährdet für eine Co-Abhängigkeit sind die Kinder suchtkranker Eltern. So sind 60 Prozent der Frauen, die mit einem suchtkranken Partner zusammenleben, bereits in einer Familie mit einem suchtkranken Elternteil aufgewachsen.
Die Betroffenen haben oft schon in ihrer Kindheit co-abhängiges Verhalten gelernt, zum Beispiel Aufgaben für den suchtkranken Vater oder die Mutter übernommen und / oder die Sucht vor anderen verheimlicht.
Dieses Verhalten setzt sich oft unbewusst im Erwachsenenleben fort: Sie suchen sich oder „geraten an“ einen Partner, der ebenfalls eine Sucht hat.