Co-Abhängigkeit (Seite 3/7)
Co-abhängige Angehörige schaden Suchtkranken
Co-Abhängigkeit bei Angehörigen erhält Sucht oft länger aufrecht als nötig
Co-abhängige Angehörige können Suchtkranken einerseits häufig nicht zielführend helfen. Vielmehr verhalten sich Co-Abhängige oft kontraproduktiv und erhalten damit die Sucht länger aufrecht als nötig. Andererseits werden co-abhängige Angehörige aufgrund der hohen persönlichen Belastungen über die Jahre oft selbst körperlich oder psychisch krank.
Wie erhält co-abhängiges Verhalten die Sucht aufrecht?
Typisch für Suchtkranke ist, dass sie alles tun, um ihrer Sucht weiter nachgehen, also zum Beispiel weiter Alkohol trinken oder Drogen nehmen zu können. Wenn ihnen das alleine nicht gelingt, nehmen sie oft Hilfe von anderen in Anspruch. Das kann zum Teil bewusst oder zum Teil unbewusst erfolgen. Zum Beispiel leiht sich der Suchtkranke von anderen Geld, um sein Suchtmittel zu kaufen. Oder er bittet andere bei Aufgaben um Hilfe, die er selbst wegen seiner Sucht nicht mehr schafft.
Familienangehörige, Freunde oder Arbeitskollegen möchten dem Betroffenen helfen, durch seine Sucht nicht in Schwierigkeiten zu geraten und ihn vor den negativen Folgen der Sucht schützen. Zum Beispiel meldet der Partner den Betroffenen beim Arbeitgeber krank, verheimlicht und vertuscht die Sucht vor anderen oder übernimmt Aufgaben, die der Suchtkranke nicht mehr erledigen kann.
Weiterhin kann es sein, dass Familienangehörige die Schulden des Suchtkranken bezahlen oder ihm Geld leihen, dass Kollegen Aufgaben für ihn übernehmen, um ihn vor einer Kündigung zu schützen oder dass Freunde gemeinsam mit dem Betroffenen feiern gehen und ihm so einen Vorwand liefern, ohne schlechtes Gewissen zu trinken.
Mit diesem Verhalten tragen die Angehörigen aber unbeabsichtigt dazu bei, dass die Sucht stabilisiert und aufrechterhalten wird. Denn durch die vermeintliche „Hilfe“ leidet der Suchtkranke weniger unter der Sucht und ihren Folgen. Er hat dadurch weniger Grund, sein Suchtverhalten zu ändern, sich professionelle Hilfe zu suchen und seine Sucht zu überwinden. Durch ihr co-abhängiges Verhalten tragen die Angehörigen also indirekt dazu bei, dass der Suchtkranke länger krank bleibt.
Mit ihrem Verhalten befriedigen Co-Abhängige in manchen Fällen auch eigene Bedürfnisse. Indem ein Angehöriger sich intensiv um den Suchtkranken kümmert, vermeidet er es, sich mit eigenen Gefühlen und Bedürfnissen auseinanderzusetzen und sich um sein eigenes Leben zu kümmern.
Jemand, der ein geringes Selbstwertgefühl hat, fühlt sich möglicherweise stark und bestätigt, wenn er glaubt, vom suchtkranken Angehörigen gebraucht zu werden. Durch ihr unterstützendes bzw. aufopferndes Verhalten erhalten die Betroffenen oft auch viel Anerkennung von anderen.
Solche Zusammenhänge spielen bei einigen Angehörigen mit einer Co-Abhängigkeit eine Rolle, müssen aber nicht bei allen Betroffenen vorliegen.
Negative Folgen für co-abhängige Angehörige
Durch den starken Wunsch, ihrem suchtkranken Angehörigen zu helfen, vernachlässigen Co-Abhängige eigene Ziele und Bedürfnisse häufig stark. Dazu kommen viele weitere Belastungen.
Suchtkranke haben oft starke Gefühlsschwankungen – von großer Euphorie und Liebesbekundungen bis hin zu Wutausbrüchen. Dieses unberechenbare Verhalten kann für die Angehörigen sehr belastend sein.
Auch ständige Auseinandersetzungen über den Alkohol- oder Drogenkonsum oder über die negativen Folgen der Sucht sind sehr nervenaufreibend. Viele Angehörige haben Angst vor dem nächsten Alkohol- oder Drogenexzess und dessen Folgen.
Dazu kommen finanzielle Sorgen, wenn der Suchtkranke viel Geld für Alkohol oder Drogen ausgibt oder durch die Sucht seine Arbeit verliert.
Insgesamt erleben Co-Abhängige so ein ständiges Wechselbad der Gefühle, von Liebe und Sorge über Hoffnung und Enttäuschung bis hin zu Wut, Verzweiflung und auch Verachtung.
Belastend ist für viele Angehörige auch, dass sie viele Aufgaben übernehmen müssen, die der Suchtkranke nicht mehr schafft.
Weiterhin leiden Co-Abhängige oft unter Scham- und Schuldgefühlen: Auf der einen Seite schämen sie sich für den Suchtkranken, auf der anderen Seite auch dafür, dass sie sich so für ihn aufopfern. Manche Angehörigen haben Schuldgefühle, weil sie glauben, zu wenig für den Suchtkranken zu tun – andere, weil ihnen im Grunde bewusst ist, dass sie zu viel für den Betroffenen tun und dabei sich selbst und andere Kontakte und Aufgaben vernachlässigen.
Manche Co-Abhängigen versuchen, nach außen den Schein der Normalität zu wahren und erzählen – zum Teil über viele Jahre – niemandem von der Sucht. Dadurch können sie aber auch mit niemandem über ihre Probleme und ihr eigenes Leid sprechen. Das führt zu immer größerer Einsamkeit – und dazu, dass irgendwann als einzige Bezugsperson nur der suchtkranke Angehörige bleibt, von dem der Co-Abhängige immer mehr abhängig wird.
Besonders problematisch ist, wenn der Suchtkranke unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen körperlich gewalttätig wird oder nahestehende Menschen wie den Partner oder die Kinder sexuell missbraucht.
Psychische und körperliche Erkrankungen sind häufig
All diese Belastungen führen dazu, dass die Lebensqualität von Menschen mit einer Co-Abhängigkeit deutlich beeinträchtigt ist und dass viele irgendwann selbst psychisch oder körperlich krank werden.
Häufig leiden sie unter Depressionen, Schlafstörungen, Angststörungen, Essstörungen oder Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Nicht selten entwickeln Betroffene selbst eine Sucht.
Auch psychosomatische Beschwerden und körperliche Erkrankungen sind häufig: Das können zum Beispiel Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Asthma, Migräne oder Herz-Kreislauf-Probleme sein.