Bipolare Störungen (Seite 5/6)

Therapie und Medikamente

Kombination von Psychotherapie und Psychopharmaka ist der am erfolgversprechendste Behandlungsansatz

Während eine bipolare Störung früher vor allem mit Psychopharmaka behandelt wurde, sind sich Experten heute einig, dass eine Kombination von medikamentösen und psychotherapeutischen oder psychosozialen Behandlungsansätzen am erfolgversprechendsten ist.

Dennoch steht die Behandlung mit Psychopharmaka auch weiterhin im Vordergrund, denn ohne eine geeignete Medikation kommt es kaum zu einer Stabilisierung der manischen oder depressiven Stimmung und selbst in Phasen stabiler Stimmung ist ein Rückfall sehr wahrscheinlich. Eine Psychotherapie kann diese Behandlung sinnvoll ergänzen und den Betroffenen Fähigkeiten vermitteln, die ihnen helfen, besser mit ihrer Erkrankung umzugehen.

Therapie mit Psychopharmaka

Die Art der Medikation ist je nach Krankheitsphase unterschiedlich. Akute manische Phasen werden in der Regel mit Neuroleptika (Antipsychotika) behandelt. Dabei werden vor allem das typische Neuroleptikum Haloperidol oder die atypischen Neuroleptika Risperidon, Quetiapin oder Olanzapin eingesetzt. In einer depressiven Phase werden meist Antidepressiva, insbesondere Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) oder Selektive Serotonin- Wiederaufnahmehemmer (SSRI) gegeben. Diese werden, anders bei einer unipolaren Depression, oft mit weiteren Medikamenten kombiniert, meist mit einem atypischen Neuroleptikum, zum Beispiel Olanzapin, Quetiapin, oder einem Stimmungsstabilisierer, zum Beispiel Lamotrigin. Ziel dabei ist, die Stimmung langfristig zu stabilisieren und ein Kippen in die Manie zu verhindern. (Medikamentöse Behandlung von Depressionen).

Gemischte Episoden sind wegen der gleichzeitigen manischen und depressiven Symptome besonders schwer zu behandeln. Meist werden mehrere Medikamente kombiniert, unter anderem atypische Neuroleptika, Antidepressiva und Stimmungsstabilisierer. Ein wesentliches Element der Therapie ist die Vorbeugung von Rückfallen. Dazu werden Stimmungsstabilisierer wie Lithium oder die Antiepileptika Valproinsäure, Lamotrigin oder Carbamazepin eingesetzt. Lithium hat sich als wirksamstes Medikament gegen Rückfälle erwiesen. Das Problem bei dieser Medikation ist jedoch, dass schnell ein zu hoher Lithiumspiegel im Blut entstehen kann, der zu teilweise gefährlichen Nebenwirkungen wie Zittern, Übelkeit, Erbrechen und Herzrhythmusstörungen führen kann.

Bei den Antiepileptika beugt Lamotrigin vor allem depressiven Phasen wirksam vor, während Valproinsäure und Carbamazepin langfristig vor allem Manien verhindern. Wenn bei einem Patienten manische Phasen im Vordergrund stehen, wird ihm oft auch geraten, zur Vorbeugung von Rückfällen langfristig ein atypisches Neuroleptikum zusammen mit Lithium oder einem Antiepileptikum einzunehmen.

Psychotherapeutische Ansätze

In verschiedenen Untersuchungen haben sich mehrere psychotherapeutische und psychosoziale Therapieformen bei bipolaren Störungen als wirksam erwiesen. Dazu gehören die familienorientierte Therapie, die kognitive Verhaltenstherapie, die interpersonelle und soziale Rhythmus-Therapie und die Psychoedukation in der Gruppe. Diese Ansätze können dazu beitragen, dass sich die Betroffenen schneller von einer depressiven oder manischen Phase erholen, später eine weitere Krankheitsphase erleben und deutlich weniger Beeinträchtigungen im Beruf und in ihren sozialen Beziehungen erleben.

Ein wichtiges Ziel der Therapie ist die Rückfallprophylaxe: Dadurch sollen weitere Krankheitsphasen verhindert beziehungsweise so lange wie möglich hinausgezögert werden. Im Vordergrund steht dabei die Psychoedukation des Patienten und seiner Angehörigen, bei der alle Beteiligten Informationen über die Entstehung der Erkrankung erhalten. Die Patienten lernen außerdem, besser mit Stress umzugehen, Frühwarnsymptome einer manischen oder depressiven Episode rechtzeitig zu erkennen, mit passenden Strategien zu reagieren und insgesamt ein ausgeglicheneres, stabileres Leben zu führen. Außerdem wird gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet, die Medikamente regelmäßig einzunehmen.

Während einer depressiven Episode ähnelt die Psychotherapie stark der Behandlung bei einer unipolaren Depression (Depression). Hier geht es zum Beispiel darum, zunächst einen geregelten Tagesablauf zu schaffen und den Patienten zu mehr Aktivität und angenehmen Tätigkeiten zu motivieren. Außerdem werden negative Gedanken hinterfragt und der Patient wird angeregt, soziale Kontakte wieder aufzunehmen. Ein wesentlicher Unterschied bei einer bipolaren Erkrankung ist jedoch, dass der Therapeut immer auf ein mögliches Kippen in eine hypomanische oder manische Stimmung achten muss.

Während einer akuten manischen oder gemischten Phase oder einer schweren depressiven Phase ist eine Psychotherapie kaum möglich. Hier steht die Behandlung mit Medikamenten im Vordergrund, die in den meisten Fällen stationär in einer Klinik erfolgt. Auch in einer hypomanischen Episode ist die Behandlung mit geeigneten Medikamenten wichtig, es ist aber meist kein Klinikaufenthalt notwendig. In diesem Fall ist es sinnvoll, die Psychotherapie weiterzuführen, weil sie dazu beitragen kann, den Patienten zu stabilisieren.

Paar- und Familientherapie

Eine Paar- und Familientherapie kann bei einer bipolaren Erkrankung sehr hilfreich sein und die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall deutlich senken. Insbesondere der familientherapeutische Ansatz von Miklowitz (1997, 2010) hat einen sehr positiven Einfluss auf die Rückfallrate. Wichtige Aspekte bei diesem Ansatz sind die Aufklärung über die Erkrankung und ihre Ursachen (Psychoedukation), Hilfe beim Lösen alltäglicher Probleme (Problemlösetraining), die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit und Hilfestellungen bei der Vorbeugung von Rückfällen.

Eine Paar- und Familientherapie ist bei einer bipolaren Störung vor allem deshalb sinnvoll, weil durch die Erkrankung oft Konflikte in der Familie oder der Partnerschaft entstehen. Diese können beim Patienten starke Stimmungsschwankungen auslösen und so die Wahrscheinlichkeit für das Abrutschen in eine Manie oder Depression erhöhen.

Zum Beispiel kommt es häufig vor, dass die Angehörigen die Stimmung des Patienten bereits auffällig finden und sich Sorgen machen, während der Betroffene selbst seinen Zustand nicht als problematisch empfindet. Versuchen die Angehörigen, Einfluss zu nehmen, zum Beispiel durch Aussagen wie „Du verhältst Dich ganz anders als sonst, geh lieber zum Arzt“, kann der Betroffene sich schnell bevormundet fühlen. Auf der anderen Seite sind aber auch die Angehörigen durch die Erkrankung oft stark belastet.

In der Therapie haben alle Familienmitglieder die Möglichkeit, ihre Sichtweisen und Probleme – allgemein und in Zusammenhang mit der Erkrankung – anzusprechen. Mit der Zeit lernen sie, die Sichtweisen der anderen besser zu verstehen , was ermöglichen kann, eine für alle zufrieden stellende Lösung zu finden.

Kognitive Verhaltenstherapie

Auch diese Therapieform hat sich bei einer bipolaren Störung als hilfreich erwiesen. Therapeut und Patient erarbeiten zunächst gemeinsam, welche Faktoren zur Entstehung der Erkrankung beigetragen haben und welche konkreten Risikofaktoren das Auftreten manischer und depressiver Krankheitsphasen begünstigen. Dabei sollen die Patienten meist ein Stimmungstagebuch führen, aus dem sich im Rückblick Stimmungsschwankungen und ihre Auslöser erkennen lassen.

Der Therapeut erarbeitet zusammen mit dem Patienten, wie wichtig eine regelmäßige Einnahme der Medikation ist und regt ihn zu einem ausgewogeneren Lebensrhythmus an. Außerdem werden typische Gedanken und Denkmuster herausgearbeitet, die den Beginn einer Manie oder Depression fördern können, zum Beispiel Gedanken wie: „Ich kann alles schaffen“, „Meine besonderen Fähigkeiten werden nicht richtig gewürdigt“.

In der Therapie werden auch die individuellen Warnsignale erarbeitet, die Anzeichen für eine beginnende Manie beziehungsweise Hypomanie oder Depression sein können, zum Beispiel dass jemand mehr erleben will als sonst, mehr Alkohol trinkt oder deutlich mehr arbeitet als sonst. Dabei üben die Patienten auch, zwischen alltäglichen Stimmungsschwankungen als Reaktion auf bestimmte Situationen, zum Beispiel Ärger über Kritik, Freude über eine bestandene Prüfung und Gefühlszuständen, die erste Anzeichen einer Manie oder Depression sein können, zu unterscheiden.

In einem Notfallplan wird dann vereinbart, wie der Betroffene auf die Frühwarnzeichen sinnvoll reagieren kann. Dieser Plan enthält meist mehrere Stufen: So soll der Patient bei ersten leichteren Symptomen zum Beispiel zunächst mehr Ruhe finden, indem er abends Entspannungsübungen macht und nicht zu spät ins Bett geht. Falls die Symptome weiter zunehmen, kann als nächstes eine Bedarfsmedikation eingenommen werden und ein zusätzlicher Termin mit dem Therapeuten vereinbart werden. Wenn die Symptome stark ausgeprägt sind, wird vereinbart, dass der Patient Kontakt mit einer Notfallambulanz aufnimmt.

In der kognitiven Verhaltenstherapie lernen die Patienten auch, allgemeine psychische Fähigkeiten zu verbessern, zum Beispiel, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse besser auszudrücken, Konflikte besser zu bewältigen und offener mit ihrer Erkrankung umzugehen. Oft werden auch wichtige Bezugspersonen in die Therapie einbezogen, so dass Konflikte gemeinsam gelöst werden können.

Interpersonelle und soziale Rhythmus-Therapie

Dieser Ansatz geht davon aus, dass manische und depressive Stimmungsschwankungen vor allem durch einen unregelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus ausgelöst werden. Der Schwerpunkt der Therapie liegt deshalb darauf, dass die Patienten einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus und einen relativ regelmäßigen Tagesablauf einhalten. Gleichzeitig werden sie dabei unterstützt, individuelle und zwischenmenschliche Probleme zu lösen.

Weitere Ansätze

Auch psychoedukative und soziotherapeutische Ansätze haben sich bei einer bipolaren Störung als hilfreich erwiesen. Hier erhalten die Patienten Informationen zur Entstehung ihrer Erkrankung und zu einem besseren Umgang mit ihren Symptomen. Weiterhin können auch Selbsthilfegruppen hilfreich sein: Sie ermöglichen es dem Patienten, sich mit anderen über Schwierigkeiten auszutauschen und hilfreiche Informationen zum Umgang mit der eigenen Erkrankung zu erhalten.