Bindung (Seite 5/9)
Sichere Bindung aufbauen und gute Bindungsfähigkeit fördern
Eltern und andere nahe Bezugspersonen können durch ihr Verhalten eine sichere Bindung und eine gute Bindungsfähigkeit ihres Kindes fördern. Kinder, die sich sicher gebunden fühlen, verhalten sich neugierig, erkunden ihre Umgebung, nehmen Kontakt zu anderen Menschen auf und probieren neues Verhalten aus.
- Bei Neugeborenen und sehr kleinen Kindern spielt körperliche Nähe eine wichtige Rolle für die Entwicklung einer Bindung: Dabei spürt das Baby den Körper und die Wärme seiner Bezugspersonen, nimmt ihren Geruch wahr und hört ihre Stimmen und entwickelt auf diese Weise Vertrautheit zu ihnen.
- Auch im Lauf der weiteren Entwicklung spielen körperliche Nähe und Berührungen bei Bindungen eine Rolle. Wichtig sind auch nicht-sprachliche Signale, die einen guten Kontakt vermitteln, wie Blickkontakt oder Lächeln. Außerdem kommt es auch auf eine gute Kommunikation an, die Informationen vermittelt und gleichzeitig auf Gefühle eingeht.
- Wichtig ist, dass Sie die Signale und Bedürfnisse Ihres Kindes – etwa nach Fürsorge, Sicherheit und Nähe – feinfühlig wahrnehmen und unmittelbar und angemessen darauf eingehen. Ist Ihr Kind schon etwas älter, können Sie auch nachfragen, um seine Bedürfnisse zu verstehen und angemessen darauf reagieren zu können. Natürlich müssen Sie nicht alle Wünsche Ihres Kindes unmittelbar erfüllen. Sie können aber zeigen, dass Sie die Wünsche und Bedürfnisse Ihres Kindes wahrnehmen und respektieren. Hilfreich kann es auch sein, Ihrem Kind zu erklären, warum sein Bedürfnis im Moment nicht erfüllt werden kann.
- Geben Sie Ihrem Kind Sicherheit und Verlässlichkeit. Zeigen Sie ihm, dass Sie es nicht allein lassen und dass Sie für Ihr Kind da sind, wenn es Sie braucht. Trösten Sie Ihr Kind, wenn es schreit oder weint, indem Sie es in den Arm nehmen und beruhigend mit ihm sprechen. Auf diese Weise kann Ihr Kind das Gefühl entwickeln, eine „sichere Basis“ zu haben, von der es die Umgebung erkunden kann und bei der es in belastenden Situationen Halt und Unterstützung findet.
- Reagieren Sie auf ähnliches Verhalten Ihres Kindes ähnlich und halten Sie Abmachungen ein. So geben Sie Ihrem Kind Orientierung und Halt. Ungünstig wäre es dagegen, wenn Sie sich in ähnlichen Situationen immer wieder unterschiedlich verhalten – etwa, wenn Ihr Kind weint und Sie es mal in den Arm nehmen und trösten und es ein anderes Mal ignorieren oder wütend werden. Dann wäre Ihr Verhalten für Ihr Kind wenig vorhersagbar und verlässlich.
- Weiterhin sollte die Beziehung zu Ihrem Kind beständig sein. Das heißt, dass Sie regelmäßig und ausreichend Zeit mit ihm verbringen sollten. Nehmen Sie sich bei einem Baby ausreichend Zeit beim Stillen, Füttern oder bei der Körperpflege. Verbringen Sie auch später ausreichend Zeit mit Ihrem Kind, etwa mit Spielen, Vorlesen, Basteln usw. Mit zunehmendem Alter ist es dann normal, dass Kinder selbständiger werden und weniger Zeit mit ihren Bezugspersonen verbringen.
- Kinder brauchen Fürsorge und Schutz, aber auch die Möglichkeit, ihre Umwelt zu erkunden und Neues zu lernen. Richten Sie sich daher nach Ihrem Kind, wieviel und wann es Kontakt habe möchte. Geben Sie ihm die notwendige Nähe, aber auch Freiräume und die Möglichkeit, seine Umgebung zu erkunden und erste eigene Schritte zu gehen. Und freuen Sie sich mit ihm, wenn es neugierig ist und sich für die Menschen und Dinge in seiner Umgebung interessiert. Möchte Ihr Kind zum Beispiel in den Arm genommen werden und kuscheln, nehmen Sie es zu sich. Zeigt es, dass es genug hat, lassen Sie es wieder gehen.
- Verhalten Sie sich Ihrem Kind gegenüber liebevoll, interessiert und wertschätzend. Geben Sie ihm Zuwendung und Liebe, interessieren Sie sich für das, was es tut und zeigen Sie ihm, dass Sie es akzeptieren, wie es ist. Auf diese Weise fördern Sie auch das Selbstwertgefühl Ihres Kindes – ein wichtiger Aspekt für eine gute Bindungsfähigkeit.
- Günstig ist es, einen offenen Umgang mit Gefühlen zu fördern, das heißt, dass Ihr Kind seine Gefühle zeigt und offen darüber sprechen kann.
- Weiterhin können Eltern es fördern, dass ihr Kind Kontakt zu anderen Menschen aufnimmt und gute soziale Kompetenzen entwickelt.
- Hilfreich kann es sein, wenn ein Kind nicht nur eine, sondern zwei oder mehr Bezugspersonen hat, zu denen es eine sichere Bindung hat und von denen jeweils eine Person zuverlässig verfügbar ist. Zum Beispiel können neben der Mutter auch der Vater oder die Großeltern einen nahen, liebevollen Kontakt zum Kind pflegen, regelmäßig mit ihm Zeit verbringen und sich an seiner Versorgung beteiligen. Dadurch ist es leichter, die Betreuung des Kindes flexibel zu gestalten. Ist zum Beispiel die Mutter nicht da, ist sichergestellt, dass eine andere vertraute Bezugsperson für das Kind da ist.
- Letztlich ist jede Beziehung zwischen Eltern und ihrem Kind unterschiedlich. Alle Eltern und nahen Bezugspersonen müssen daher ihren eigenen Weg finden, wie sie die Beziehung zu ihrem Kind möglichst gut gestalten können.
Wenn eine sichere Bindung schwerfällt
- Manchen Eltern fällt es schwer, die Bedürfnisse ihres Kindes wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Das kann daran liegen, dass sie selbst im Lauf ihres Lebens negative Erfahrungen in Beziehungen oder traumatische Erfahrungen gemacht haben. Es kann auch sein, dass ein Elternteil unter einer psychischen Störung, etwa einer Depression leidet. Auch, wenn ein Kind eine Erkrankung oder Behinderung hat, kann es für die Eltern schwierig sein, einen guten Zugang und einen angemessenen Umgang mit ihm zu finden.
- Manche Eltern fühlen sich im Umgang mit ihrem Kind ständig unsicher, gestresst oder überfordert. Andere machen sich übertriebene Sorgen, dass ihrem Kind etwas passieren könnte. Wieder andere Eltern empfinden beim Umgang mit ihrem Kind negative Gefühle wie Wut oder Stress – die vielleicht weniger mit dem Kind als mit eigenen früheren Erfahrungen zu tun haben. Schließlich gibt es Eltern, die nicht fähig sind, Freude über ihr Kind zu empfinden und ein Gefühl der Nähe zu entwickeln.
In all diesen Fällen ist es wichtig, dass Sie sich umgehend Unterstützung suchen:
- Wenden Sie sich an Ihre Hebamme oder Ihre Kinderärztin bzw. Ihren Kinderarzt. Diese können Sie evtl. selbst unterstützen oder Sie über Beratungsangebote in Ihrer Nähe informieren.
- Wenden Sie sich an eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten oder eine:n Kinderpsychiater:in.
- Nehmen Sie sogenannte Frühe Hilfen in Anspruch, die die Beziehungs- und Erziehungskompetenz von Eltern fördern sollen. Dabei werden Sie von einer geschulten Person bei einem fürsorglichen, liebevollen Umgang mit Ihrem Kind unterstützt und begleitet. Frühe Hilfen sind in allen Gemeinden Deutschlands verfügbar.
- Informationen erhalten sie auch beim örtlichen Gesundheitsamt oder Jugendamt.