Wenn Angst das Leben bestimmt (Seite 8/12)

Soziale Phobie

Furcht vor Beobachtung und Bewertung

Bei der sozialen Angststörung handelt es sich um eine „Situationsangst“. Sie bezieht sich auf Aktivitäten, bei denen Betroffene sich von Dritten kritisch beobachtet und bewertet fühlen.

Menschen mit einer sozialen Phobie haben Angst vor Situationen, in denen sie im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen oder in denen sie die Befürchtung haben, sie könnten sich peinlich verhalten. Die Angst kann sich zum Beispiel darauf beziehen, einen Vortrag zu halten oder an einer größeren geselligen Runde teilzunehmen. Andere Betroffene haben Angst, in Gegenwart anderer Menschen zu essen oder zu schreiben:

Markus G. war bis vor einem halben Jahr erfolgreich in seinem Beruf als Bauingenieur tätig. Er arbeitet seit sechs Jahren bei einer großen Baufirma und berichtet, dass seine Arbeit ihm eigentlich Spaß macht und er sich den Aufgaben im Beruf auch gewachsen fühlt. Auch seine Vorgesetzten seien mit ihm zufrieden und hätten ihm vor sechs Monaten die Position eines leitenden Angestellten angeboten.

Doch damit begannen für Markus G. die Probleme. Er muss nun häufig an Besprechungen mit anderen Abteilungen oder mit externen Firmen teilnehmen. Immer, wenn Markus G. bei solchen Meetings im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, zum Beispiel, wenn er einen Kurzvortrag halten soll oder seinen eigenen Standpunkt in die Diskussion einbringen will, beginnt er stark zu schwitzen und bekommt zittrige Hände.

Er hat dann plötzlich das Gefühl, dass alle ihn anstarren, dass er sich nicht mehr klar ausdrücken kann und dass seine Stimme zittert. Markus G. ist davon überzeugt, dass die anderen das Schwitzen und das Zittern in seiner Stimme bemerken und denken, er sei unfähig, seine Position auszuüben.

In letzter Zeit hat Markus G. deshalb öfters in Besprechungen geschwiegen oder nur das Nötigste gesagt. Dies sei auch schon seinem Chef negativ aufgefallen. Manchmal lasse er sich auch zu einer abgesprochenen Zeit von seiner Frau anrufen, um unauffällig aus dem Meeting „verschwinden“ zu können. Wenn Markus G. bei privaten Anlässen mit vielen Menschen zusammen ist, zum Beispiel bei Familientreffen oder Feiern im Freundeskreis, fühlt er sich dagegen wohl und hat keine derartigen Ängste.

Symptome

Die Angst ist häufig mit starken körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Atemnot, Schwitzen, Zittern, Übelkeit oder Harndrang verbunden. Dabei haben die Betroffenen große Angst, dass diese Anzeichen von Angst wie ein Erröten oder Zittern von anderen bemerkt werden könnten.

Wenn die Betroffenen bestimmte Tätigkeiten oder Aktivitäten ohne Gesellschaft angstfrei ausüben können, im Beisein anderer dabei jedoch Angst verspüren, ist das ein sicherer Hinweis auf eine soziale Phobie.

Wegen dieser Ängste vermeiden Menschen mit einer sozialen Phobie viele soziale Situationen. Darüber hinaus leiden sie unter einem schwachen Selbstbewusstsein, glauben, anderen unterlegen zu sein oder haben in vielen Situationen das Gefühl, vollständig zu versagen.

Ursachen

Auch bei der sozialen Phobie werden verschiedene Faktoren wie traumatische und andere belastende Lebenserfahrungen, Fehlkonditionierungen, neurobiologische und genetische Einflüsse als Ursachen für ihre Entstehung vermutet.

Bei Menschen mit sozialer Phobie gibt es Anhaltspunkte auf Unregelmäßigkeiten im Serotonin- und Dopaminsystem und Auffälligkeiten in verschiedenen Hirnarealen sowie kognitive Besonderheiten, die eine falsche Selbstwahrnehmung begünstigen.

Soziale Phobie mit Psychotherapie überwinden

Ohne eine rechtzeitige professionelle Behandlung verläuft die soziale Angststörung meist chronisch. Am besten geeignet für eine Behandlung ist die kognitive Verhaltenstherapie. Angstlösende Medikamente können die Therapie unterstützen.

Eine Psychotherapie kann den Betroffenen nachweislich und wirksam helfen. Sie zielt darauf, dass die Betroffenen ihre Phobie ganz überwinden oder sie für sie zumindest derart kontrollierbar wird, dass sie ihr Leben nicht mehr negativ beeinflusst oder einschränkt.

Häufigkeit und Verlauf

Die Angaben zur Häufigkeit der sozialen Phobie liegen in europäischen Studien bei vier bis 12 Prozent der Bevölkerung. Die Erkrankung beginnt meist in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter. Im Gegensatz zu den meisten anderen Angststörungen sind Männer von einer sozialen Phobie genauso häufig betroffen wie Frauen.

Ohne Therapie bleibt die Angst beziehungsweise die Vermeidung von sozialen Situationen meist chronisch bestehen und kann sich mit der Zeit sogar noch steigern.