Angst, Panik und Angststörung

Wenn Angst das Leben bestimmt

17.02.2023 Von Dr. Christine Amrhein

Angst und Angststörung auf einen Blick

  • Angst ist ein normales Gefühl. Sie kann hilfreich sein und vor Gefahren schützen.
  • Wenn die Angst sehr stark ist, sehr häufig auftritt oder über lange Zeit anhält und verschiedene Lebensbereiche stark beeinträchtigt, spricht man von einer Angststörung.
  • Wichtig ist, dass Sie sich frühzeitig Unterstützung suchen. Ansprechpartner können zum Beispiel Ihr Hausarzt, eine Praxis für Psychotherapie, ein Psychiater oder eine Institutsambulanz sein.
  • Starke Angst und Angststörungen sind sehr häufig: Sie betreffen etwa ein Viertel aller Menschen einmal im Leben.
  • Verschiedene Faktoren wirken bei der Entstehung von Angststörungen zusammen. Dazu gehören Belastungen in der Vergangenheit und Gegenwart, zwischenmenschliche Probleme sowie genetische Faktoren und Veränderungen von Botenstoffen im Gehirn.
  • Zu den wichtigsten Angststörungen gehören die spezifische Phobie, die soziale Phobie, die Panikstörung, die Agoraphobie ohne oder mit Panikstörung und die generalisierte Angststörung.
  • Eine Angststörung wird in einem ausführlichen Gespräch diagnostiziert. Um körperliche Ursachen der Angst auszuschließen, findet auch eine körperliche Untersuchung statt.
  • Bei leichter Angst können Sie selbst etwas tun. Wichtig ist, dass Sie frühzeitig handeln und dass Sie angstbesetzte Situationen nicht vermeiden. Auf keinen Fall sollten Sie die Angst mit Beruhigungsmitteln, Alkohol oder Drogen bekämpfen.
  • Mit einer Psychotherapie oder mit Medikamenten lässt sich eine Angststörung meist gut behandeln.
  • Bei einer Psychotherapie kommt in erster Linie die kognitive Verhaltenstherapie sowie die psychoanalytische und die tiefenpsychologisch-fundierte Therapie sowie die Systemische Therapie in Frage.
  • Als Medikamente werden in erster Linie Antidepressiva und einige weitere Medikamente eingesetzt. Bei fehlender Wirkung oder Nebenwirkungen sollten Sie mit Ihrem Arzt sprechen und auf keinen Fall eigenständig die Medikation verändern.
  • Ergänzend zu Psychotherapie oder Medikamenten können Entspannungsverfahren, Sport und die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein.
  • Angehörige können Menschen mit Angststörungen zu einer Behandlung motivieren und sie während der Therapie aktiv unterstützen. Das kann wesentlich zum Erfolg der Therapie beitragen.

In diesem Artikel finden Sie viele nützliche Informationen über Ängste, Panik und Angststörungen und wie Sie diese überwinden können.

Angst ist oft ein hilfreiches Gefühl

Angst oder Sorgen hat jeder Mensch schon oft erlebt. Angst gehört zum Leben und ist eine normale Reaktion auf reale Gefahren. In vielen Situationen des täglichen Lebens ist sie plötzlich da, die Angst:

Der Nutzen des Gefühls Angst

Wenn Sie mit dem Auto auf einer spiegelglatten Straße fahren, wenn eine Prüfung kurz bevorsteht, wenn Sie einen Vortrag halten sollen, wenn Sie eine Reise mit dem Flugzeug antreten sollen, wenn Sie beim Arzt auf das Ergebnis einer wichtigen Untersuchung warten oder wenn Sie unerwartet Ihren Job verlieren und nicht wissen, wie es weitergeht.

In gefährlichen oder bedrohlichen Situationen Angst zu haben, ist also ganz normal und sinnvoll. In solchen Fällen kann Angst vor den Gefahren schützen und dazu beitragen, Schädigungen zu vermeiden. Deshalb hat man noch keine Angststörung.

Symptome der Angst

Sie kennen bestimmt gut, wie sich Angst anfühlt: Das Herz schlägt plötzlich bis zum Hals, die Stirn ist schweißnass und die Kehle fühlt sich an wie zugeschnürt oder der Atem geht schneller.

Diese durch einen erhöhten Ausstoß von Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin ausgelöste „Alarmreaktion“ sorgt für eine Aktivierung verschiedener Körperfunktionen, beispielsweise dafür, dass die Muskeln sich anspannen und die Sinnesorgane mit erhöhter Aufmerksamkeit reagieren.

So kann man besonders schnell auf eine Gefahr reagieren und zum Beispiel schnell wegrennen oder die Ursache der Gefahr beseitigen.

Von der starken Angst zur Angststörung

Manchmal treten aber starke oder sogar extreme Ängste auf, obwohl keine echte Bedrohung vorliegt. Oder jemand hat Angst vor Dingen oder Situationen, vor denen die meisten Menschen keine Angst haben. Andere würden diese Angst als übertrieben bezeichnen. Und oft ist den Betroffenen auch selbst bewusst, dass in Wirklichkeit keine oder keine große Gefahr besteht und ihre Angst übertrieben ist.

Hat jemand sehr starke Angst, die immer wieder auftritt oder über lange Zeit anhält, kann das den Alltag und die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen. Dann spricht man auch von einer Angststörung.

Charakteristisch für eine Angststörung ist auch, dass die Betroffenen die Dinge oder Situationen, vor denen sie Angst haben, vermeiden. Zum Beispiel fahren sie nicht mehr mit der U-Bahn oder mit dem Aufzug, meiden Menschenmengen oder gehen anderen Menschen aus dem Weg. Dadurch sind sie in vielen Bereichen stark eingeschränkt. Außerdem trägt dieses so genannte Vermeidungsverhalten dazu bei, dass die Angst nicht verschwindet, sondern bestehen bleibt und sich verfestigt.

Kriterien einer Angststörung

Die Diagnose Angststörung wird mit diesen beiden Kriterien erfüllt:

  1. Die Angst ist im Vergleich zur tatsächlichen Bedrohung unangemessen oder deutlich übertrieben.
  2. Der oder die Betroffene ist durch die Angst erheblich psychisch und körperlich belastet.

Eine solche Belastung ist gegeben, wenn die Angst sehr stark ausgeprägt ist, über lange Zeit anhält und mit ausgeprägten körperlichen Symptomen verbunden ist und /oder zu starken Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen führt.

Wenn dies auf Sie zutrifft, kann Ihnen ein Arzt oder Psychotherapeut helfen. Er wird Sie beraten, ob und wie Sie sich durch Selbsthilfemaßnahmen helfen können oder ob eine Psychotherapie oder eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten am besten ist.

Angst-Tests

Eine erste Einschätzung, ob Sie an einer Angststörung leiden und eine Behandlung hilfreich wäre geben Ihnen wissenschaftlich geprüfte Angst-Tests. Eine gesicherte Diagnose kann jedoch nur ein Psychotherapeut oder ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie stellen.

Wichtigste Formen der Angststörung

Angststörungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen. Etwa fünf bis 15 Prozent der Menschen leiden mindestens einmal im Leben an einer Angststörung. Frauen sind meistens doppelt so häufig betroffen wie Männer. Generalisierte Angststörung, Panikstörung, Spezifische Phobie, Soziale Phobie sowie Angst und Depression sind die am weitesten verbreiteten Formen der Angststörung.

Welche Faktoren die Entwicklung einer Angststörung begünstigen können

Die meisten Angsterkrankungen sind multifaktoriell bedingt. D.h. sie entwickeln sich durch ein Zusammenwirken verschiedener Ursachen über einen gewissen Zeitraum.
Belastende Ereignisse in der Kindheit, ein ungünstiger Erziehungsstil der Eltern, aktuelle Belastungen wie z.B. Dauerstress, Probleme in den sozialen Beziehungen oder sehr bedrückende Lebensereignisse wie der Tod eines Angehörigen oder ein plötzlicher Jobverlust erhöhen das Risiko, eine Angststörung zu entwickeln.

Auch körperliche oder andere psychische Erkrankungen können das Auftreten einer Angststörung begünstigen.

Weiterhin hat die Forschung gezeigt, dass bestimmte genetische Merkmale das Risiko erhöhen können, eine Angststörung zu entwickeln, ebenso wie biochemische Veränderungen im Gehirn, zum Beispiel beim Botenstoff Serotonin.
Schließlich können bestimme unrealistische Denkmuster dazu beitragen, dass sich eine Angststörung entwickelt und über längere Zeit bestehen bleibt.

Generell gilt: Suchen Sie sich bald professionelle Unterstützung

Wenn Sie unter starken und anhaltenden Ängsten leiden, ist es sinnvoll, sich frühzeitig professionelle Unterstützung zu suchen. Denn ohne therapeutische Behandlung werden Ängste chronisch und bestehen oft über Jahre oder Jahrzehnte fort.

Mit möglichst früher Hilfe erhöhen Sie die Aussichten auf eine erfolgreiche Behandlung

Folgende Anlaufstellen kommen dabei in Frage:

  • Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt
  • eine Psychologische Psychotherapeutin bzw. ein Psychologischer Psychotherapeut
  • ein Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
  • ein Facharzt oder eine Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
  • ein ärztlicher Psychotherapeut bzw. eine ärztliche Psychotherapeutin
  • eine psychologische oder psychotherapeutische Institutsambulanz
  • eine psychiatrische oder psychosomatische Institutsambulanz

In einer Praxis für Psychotherapie haben Sie die Möglichkeit, einen Termin für eine so genannte „Sprechstunde“ ausmachen. Das ist ein Erstgespräch, in dem überprüft wird, ob eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung – wie etwa eine Angststörung – vorliegt.

Anschließend kann dann eine für Sie passende Behandlung eingeleitet werden.

Wann Sie sich dringend therapeutische Hilfe holen sollten

Insbesondere sollten Sie sich psychotherapeutische oder ärztliche Hilfe suchen, wenn Sie eine oder mehrere der folgenden Aussagen bejahen:

  • Die Ängste beschäftigen mich mehr als die Hälfte des Tages.
  • Die Ängste schränken meine Lebensqualität und Bewegungsfreiheit erheblich ein.
  • Die Ängste beeinträchtigen meine Partnerschaft oder andere zwischenmenschliche Beziehungen.
  • Wegen der Ängste habe ich Probleme im Beruf oder kann nicht mehr arbeiten.
  • Wegen der Ängste werde ich immer depressiver.
  • Wegen der Ängste greife ich zu Beruhigungsmitteln, Alkohol oder Drogen.
  • Ich hatte wegen der Ängste schon Selbsttötungsgedanken.

Oft fällt es Menschen mit starken Ängsten schwer, sich professionelle Hilfe zu suchen. Zum einen halten die Ängste sie davon ab, zum anderen fürchten sie, dann als „psychisch krank“ oder „verrückt“ angesehen zu werden. Es ist jedoch wichtig, dass Sie den ersten Schritt gehen und sich professionelle Unterstützung suchen. Denn mit einer geeigneten Behandlung – einer Psychotherapie oder Medikamenten – lassen sich die meisten Angststörungen gut behandeln.
Am günstigsten sind die Therapieaussichten, wenn die Angst noch nicht allzu lange besteht. Ohne Behandlung gehen Angststörungen nur selten von alleine wieder zurück und bleiben meist auf Dauer bestehen.

Besteht die Angst schon länger, sind auch die Erfolgsaussichten einer Therapie etwas geringer. Aber es ist auch in diesem Fall sinnvoll, sich therapeutische Unterstützung zu suchen. Denn eine Therapie kann dazu beitragen, dass die Ängste zurückgehen und die Lebensqualität sich deutlich verbessert.

Angststörungen mit Psycho­thera­pie und Medikamenten gut behandelbar

Es ist generell wichtig, dass Sie sich nicht einfach mit Ihrer Angst und den daraus resultierenden Einschränkungen abfinden.

Das können Sie zunächst selbst gegen Ängste tun

Wenn die Ängste problematisch werden, aber noch nicht zu stark sind, können Sie zunächst selbst Maßnahmen gegen Ihre Ängste durchführen.

  • Stellen Sie sich immer wieder bewusst den Orten oder Situationen, die die Angst auslösen.

  • Setzen Sie bei leichten, "normalen" Ängsten auf Entspannungsmethoden und Sport.

  • Gehen Sie auf keinen Fall den Situationen, die Ihnen Angst machen, aus dem Weg.

  • Versuchen Sie auch nicht, die Angst durch Alkohol, Drogen wie Marihuana oder Beruhigungsmittel zu „therapieren“.

Psychotherapie

Professionelle Hilfe finden Sie zum Beispiel bei einem Psychotherapeuten oder einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Am günstigsten ist die Prognose für eine Psychotherapie, wenn die Angst noch nicht zu lange besteht.

Therapeutenliste Behandlungsschwerpunkt Ängste-Phobien

Diagnose

Um eine Angststörung diagnostizieren zu können, benötigt der Psychotherapeut genaue Informationen über die aktuellen Symptome, die Entstehung und den Verlauf der Ängste. Aus diesem Grund wird der Psychotherapeut mit dem Betroffenen zunächst ein ausführliches Gespräch führen. Dabei soll durch Fragen zur Lebensgeschichte oder zu früheren oder aktuellen Belastungen auch geklärt werden, ob die Angst überhaupt das hauptsächliche Problem ist. Darüber hinaus werden häufig Fragebögen eingesetzt, um genau herauszufinden, wie oft und in welchen Situationen die Ängste auftreten.

Therapiemethoden

Mithilfe sorgfältig überprüfter Therapieverfahren lassen sich Angststörungen in den meisten Fällen im Rahmen einer Psychotherapie gut in den Griff bekommen:

Auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe kann eine gute Möglichkeit sein, den Umgang mit der Angst zu lernen.

Behandlung mit Medikamenten

Angst lösen und beruhigen

Antidepressiva, Benzodiazepine oder Betablocker (Artikel Psychopharmaka) sind Medikamente, die auch zur Behandlung von Ängsten eingesetzt werden können. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Medikamenten ist es wichtig zu wissen, dass dieser ohne eine zeitgleich durchgeführte Psychotherapie nur wenig Aussicht auf Erfolg hat. Denn nur in einer Therapie lernen die Betroffenen, wie sie mit ihrer Angst zukünftig anders umgehen können. Deshalb werden Medikamente meist in Ergänzung zu einer Psychotherapie verschrieben.

Fragen Sie Ihren Arzt, ob diese abhängig machen können, wenn er Ihnen Medikamente gegen die Angst verschreiben möchte.