Fragen und Antworten der Parteien im Detail

Wahlprüfsteine Bundestagswahl 2013 zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung

1. Maßnahmen gegen Unterversorgung

Wird Ihre Partei Maßnahmen ergreifen, um die bestehende Unterversorgung der Hilfesuchenden zu verbessern und das psychotherapeutische Angebot auszudehnen? Wenn ja, welche konkret? Setzt sich Ihre Partei für eine Erhöhung der Sitze für Psychotherapeuten ein?

Unterversorgung - Antworten der Parteien

Bündnis 90 / Die Grünen

Auch die zu Jahresbeginn vorgenommene Veränderung der Bedarfsplanungsrichtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss wird die Lücken in der psychotherapeutischen Versorgung nicht schließen. Mehr psychotherapeutische Praxen werden voraussichtlich nur in rein ländlichen Gebieten entstehen. Doch in den meisten Regionen wird es keine Verbesserungen geben.

Auch künftig wird die Bedarfsplanung auf der Anzahl der Psychotherapeutinnen und -therapeuten beruhen, die 1999 – vor Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes – tätig waren. Damit wird der zunehmende Bedarf ignoriert. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern deshalb eine Neuberechnung der Bedarfszahlen, die dem tatsächlichen Bedarf gerecht wird.

Langfristig muss es darum gehen, nicht nur die psychotherapeutische, sondern die gesamte vertragsärztliche Bedarfsplanung zusammen mit der Krankenhausplanung zu einer Versorgungsplanung auszubauen. Stichworte dafür sind: Orientierung an der Morbidität, Schaffung einer soliden Datenbasis, Ausrichtung an qualitativen Versorgungszielen, sektorenübergreifender Ansatz, mehr Partizipation vor Ort.

CDU/CSU

CDU und CSU haben in der laufenden Legislaturperiode mit dem Versorgungsstruktur-gesetz viel getan, um insbesondere Unterversorgung zu verhindern oder zu beseitigen. Ein wichtiger Bestandteil war dabei, die Bedarfsplanung entsprechend weiter zu entwickeln. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wurde dazu gesetzlich beauftragt.

Der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) haben sich bereits in der neuen Bedarfsplanungsrichtlinie, die zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, darauf verständigt, bei der Vergütungsvereinbarung für das Jahr 2013 die Finanzierung von bis zu 1.150 neuen Niederlassungsmöglichkeiten (zusätzliche Psychotherapeutensitze) sicherzustellen.

Gleichzeitig haben die obengenannten Vertragsparteien vereinbart, bis zum 30. Juni 2013 die Psychotherapierichtlinie und das Gutachterverfahren, insbesondere hinsichtlich der Angemessenheit der unterschiedlichen Behandlungsdauern und des Verhältnisses von Einzel- zu Gruppentherapie, zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Diese Schritte werden CDU und CSU aufmerksam beobachten. Unser Ziel ist die Verbesserung der Versorgungssituation der ambulanten Richtlinienpsychotherapie hinsichtlich der Notwendigkeit und der Zweckmäßigkeit. Sie muss gleichzeitig der Wirtschaftlichkeit Rechnung tragen. Dadurch wird sachgerecht die Problematik unangemessen hoher Wartezeiten für eine psychotherapeutische Behandlung angegangen, die teilweise in Ballungszentren, erst Recht jedoch in den vorgenannten unterversorgten Regionen beklagt wird.

CDU und CSU wollen, dass auch weiterhin über eine gesetzliche Regelung in der Bedarfsplanungsrichtlinie Mindestversorgungsanteile sichergestellt werden. Über die Quotenregelung wird sichergestellt, dass dem unterschiedlichen Bedarf an psychotherapeutischer Versorgung auch die entsprechenden Berufsgruppen mit ihrer spezifischen Ausbildung gegenüberstehen.

Darüber hinaus haben CDU und CSU mit dem dritten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften Anfang Juni 2013 beschlossen, dass sich weitere psychologische Psychotherapeuten niederlassen können. Ab 2014 können somit bundesweit knapp 280 Sitze, die bislang für psychotherapeutisch tätige Ärzte reserviert waren, auch an psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vergeben werden.

Die Linke

Die Zahl der Menschen, die wegen psychischer Erkrankungen behandelt bzw. arbeitsunfähig werden, hat sich in den letzten Jahren stark erhöht. Dabei kann die grundsätzlich zu begrüßende Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen einen Einfluss haben, aber auch eine gewisse Pathologisierung von an sich nicht krankhaften psychischen Zuständen. Letztlich sollte eine wissenschaftlich fundierte Erhebung der Morbidität Aufschluss über den psychotherapeutischen Bedarf geben.

Die LINKE fordert eine reformierte Bedarfsplanung, damit die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten bereitgestellt werden (vgl. Antrag BT-Drs. 17/3215). Hier ist eine Unterscheidung zwischen dem Bedarf an ärztlichen und an psychologischen Psychotherapeuten sowie hinsichtlich der angebotenen Therapieformen zu treffen.

DIE LINKE steht für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung. Unser Konzept der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung eröffnet nicht zuletzt auch finanziellen Spielraum für einen gegebenenfalls notwendigen Ausbau der psychotherapeutischen Versorgungsstrukturen. Die Wartezeit auf einen von den Krankenkassen erstatteten Psychotherapieplatz ist vielen Regionen Deutschlands derzeit erheblich zu lang. Die steigende Zahl von privat abrechenden Psychotherapeutinnen und -therapeuten verdeutlicht, dass die Entwicklung in die falsche Richtung geht.

Die Berechnung der Verhältniszahlen zur Bedarfsplanung der psychotherapeutischen Versorgung wurde kürzlich vom Gemeinsamen Bundesausschuss angepasst. Trotz Verbesserungen im ländlichen Raum wird befürchtet, dass die Zahl der Psychotherapiesitze insgesamt abnehmen wird. Wir halten das für unverantwortlich. Stattdessen sollte für die Zeit der Bedarfsermittlung die Zahl der Psychotherapiesitze im ländlichen Raum angehoben werden, ohne jedoch die Gesamtzahl einzuschränken. Es sollten wie bei den ärztlichen Kassensitzen Maßnahmen für die Verringerung der Ungleichverteilung (z.B. Stadt/Land) der Versorgungsdichte ergriffen werden.

Da soziale bzw. gesellschaftliche Entwicklungen auch zu psychischen Problemen führen (z.B. Prekarisierung und Entmenschlichung der Arbeitswelt, fehlende Teilhabe etwa von Erwerbslosen, Migrantinnen und Migranten, Menschen mit Behinderungen, steigender Leistungsdruck in der Schule usw.) müssen zuvorderst die Ursachen angegangen werden, ohne jedoch die Therapiemöglichkeiten für die oder den Einzelnen zu vernachlässigen. Wir brauchen eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik, die für gesunde Lebensbedingungen sorgt und die gesundheitlichen Ressourcen der Menschen gerade in den unteren sozialen Schichten stärkt. Gesundheit ist dabei für uns in Übereinstimmung mit der Weltgesundheitsorganisation das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden.

FDP

Antworten auf Fragen 1-10:

Die ambulante Versorgung durch Psychotherapeuten ist ein elementarer Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens. Auch künftig ist eine qualitativ hochwertige flächendeckende Versorgung sicherzustellen, denn psychische Erkrankungen haben sich in Deutschland zu einer großen Herausforderung entwickelt. Dies zeigt eindrücklich die erhebliche Zunahme diagnostizierter psychischer Erkrankungen in den Statistiken der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. Auch vor diesem Hintergrund haben wir gesetzliche Anpassungen für eine Verbesserung der Versorgungsstrukturen vorgenommen.

Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz haben wir dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem obersten Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen, eine Reihe von Aufträgen zur Anpassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie erteilt. Unser maßgebliches Ziel ist eine flächendeckende, möglichst wohnortnahe und bedarfsdeckende ärztliche und psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung. Anstelle starrer zentraler Vorgaben sollen Regelungen gelten, die stärker auf die Bedingungen vor Ort eingehen. Noch im Dezember 2012 hat der G-BA auf dieser Grundlage den Planungsrahmen für die Zulassungsmöglichkeiten von Ärzten und Psychotherapeuten festgelegt. Wir erwarten von der neuen Bedarfsplanung, dass Zulassungsmöglichkeiten künftig genau dort ausgewiesen werden, wo sie benötigt werden. Zum 1. Juli 2013 sollte die neue Bedarfsplanung umgesetzt werden. Die FDP wird den weiteren Umsetzungsprozess sorgfältig beobachten.

Auch von der Weiterentwicklung der Psychotherapie-Richtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss erwarten wir eine Verbesserung der Versorgungssituation. Unter anderem sind die Behandlungsverfahren auch mit Blick auf die langen Wartezeiten zu überprüfen. Dabei muss das Wohl der Patienten unter Berücksichtigung von Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsaspekten im Mittelpunkt stehen.

Ebenso wird die Aufnahme weiterer Therapieverfahren zu diskutieren sein.

Die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten und zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ist dringend reformbedürftig. Wir brauchen eine grundlegende Reform der Psychotherapeutenausbildung, die die Zugangsvoraussetzungen und die Frage der Vergütung des praktischen Teils der Ausbildung einer nachhaltigen Lösung zuführt.

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe befasst sich mit den Ausbildungsstrukturen und wird in diesem Rahmen auch die Umstrukturierung der Psychotherapeutenausbildung zu einer Direktausbildung vergleichbar dem Medizinstudium der Ärzte und der fachärztlichen Weiterbildung prüfen. Nach Abschluss dieser Expertenarbeit, an der auch die betroffenen Berufskreise beteiligt sind, wird die zentrale Frage zu entscheiden sein, ob es bei der bisherigen dualen Ausbildungsstruktur zum Psychotherapeuten bleiben soll oder ob eine Direktausbildung vergleichbar dem Medizinstudium in Betracht zu ziehen ist.

Piratenpartei

Die derzeitigen Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz in vielen Regionen weisen darauf hin, dass offensichtlich das reale Angebot nicht überall ausreichend ist. Wir setzen uns für eine regional homogene (d.h. keine Vermischung von Stadt und Land) sowie an dem realen Angebot (tatsächliche Sprechzeiten) orientierte Bedarfsplanung ein, die ein ausreichendes Psychotherapieangebot ohne lange Wartezeiten ermöglicht.

Um den Bedarf zu decken ist die Psychotherapie-Ausbildung dahingehend zu verändern, dass eine wesentlich größere Zahl an Menschen pro Jahr eine Psychotherapie-Ausbildung mit Erfolg machen und in diesen Beruf einsteigen kann als bisher. Dazu können beispielsweise Studierende aller medizinischen, sozialen, und sozialwissenschaftlichen Fachrichtungen zur Psychotherapie-Ausbildung zugelassen werden, also nicht nur Studenten von Medizin und Psychologie. Gleichzeitig sind die gegenwärtig übermäßig hohen Ausbildungskosten zu senken.

Letztlich steht auch die Aufklärung der Betroffenen selbst im Blickpunkt der Piratenpartei, vor allem über ihre rechtlichen Ansprüche sowie Hilfsangebote. Es gibt bereits Gerichtsurteile, die belegen, dass es Betroffenen gelang, die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland auch in der Psychiatrie für sich persönlich umzusetzen, indem sie rechtswirksam Widerspruch gegen die jeweilige Medikation einlegten. Ohne Aufklärung wäre das undenkbar. Der Erhalt oder das Wiedererreichen maximaler Selbstbestimmtheit ist ein vorrangiges Ziel.

SPD

Die Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag hat zu zahlreichen gesundheitspolitischen Herausforderungen Positionen erarbeitet. Hierzu gehört auch die Frage der Weiterentwicklung der Versorgung psychisch Kranker. Zentrales Anliegen ist die Verbesserung der Erstversorgung von psychisch kranken Menschen durch ein neues Erstversorgungskonzept in Verbindung mit einem Ausbau des Kurzzeittherapieangebots. Darüber sprechen wir uns für eine Novellierung des Psychotherapeutengesetzes aus, fordern eine stärkere Vernetzung aller Leistungsangebote und Träger und nehmen Stellung zu unseren Vorstellungen für eine Qualitätsinitiative in der Versorgung.

  • Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion zur Weiterentwicklung der Versorgung psychisch Kranker - Erstversorgung ausbauen, Qualität stärken!

2. Ausbildungstandards

Auch Heilpraktiker dürfen psychotherapeutische Leistungen anbieten. Dieses Angebot ist für Hilfesuchende häufig noch undurchsichtiger als die Richtlinien-Psychotherapie. Sieht Ihre Partei an dieser Stelle einen konkreten Regelungsbedarf hinsichtlich einheitlicher Ausbildungsstandards sowie verbesserter Aufklärung der Hilfesuchenden? Wenn ja, welche Regelungen zur Verbesserung der Lage strebt Ihre Partei konkret an?

Ausbildungsstandards - Antworten der Parteien

Bündnis 90 / Die Grünen

Patientinnen und Patienten müssen dabei unterstützt werden, das richtige Therapieverfahren und den richtigen Therapeuten zu finden.

Dafür wollen wir zentrale Anlaufstellen, in denen gemeinsam das konkrete Erkrankungsbild herausgearbeitet wird und Empfehlungen zur Therapierichtung und ggf. auch zu spezialisierten Therapeutinnen und Therapeuten gegeben werden. Solche Stellen könnten auch in Krisenfällen als Ansprechpartner fungieren, die zeitnah an Therapeutinnen und Therapeuten vermitteln.

Die Vereinheitlichung von Ausbildungsstandards muss im Rahmen der überfälligen Novellierung des Psychotherapeutengesetzes erörtert werden.

CDU/CSU

Insbesondere in der Psychotherapie ist es oft vorab nicht einfach zu entscheiden, welche Leistung für den individuell Betroffenen die beste Wahl ist. Dies entscheidet sich oft erst nach mehreren Sitzungen und muss in erster Linie eng mit dem behandelnden Therapeuten abgestimmt werden. Der betroffene Patient ist oft überfordert, das für ihn richtige Angebot zu finden. Wichtig ist daher die gute Qualifikation derjenigen, die psychotherapeutische Leistungen anbieten. Sofern dies auf Bundesebene möglich ist, werden CDU und CSU sich daher für einheitliche Ausbildungsstandards einsetzen, damit überall in Deutschland das gleich hohe Behandlungsniveau gewährleistet wird.

Die Linke

Allen Hilfesuchenden muss eine informierte Entscheidung ermöglicht werden, ob sie eine psychologische, ärztliche oder eine Psychotherapie durch Heilpraktiker in Anspruch nehmen möchten. Die unterschiedlichen Qualifikationen und Kompetenzen der einzelnen Anbietergruppen, die Erstattungsfähigkeit durch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und damit letztlich auch die wissenschaftliche Fundierung der verschiedenen Therapieoptionen müssen dabei klar benannt werden. Den Begriff „Psychotherapie“ auch zu verwenden für Angebote von Menschen, die keine Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten sind, trägt sicher nicht zur Transparenz bei. Es ist eine elementare Anforderung an Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker, dass medizinisch notwendige Behandlungen nicht verhindert werden. Das trifft auch für psychotherapeutische Behandlungen zu, insbesondere für Menschen in akuten psychischen Krisen. DIE LINKE unterstützt die Forderung nach einer Koordinierungs- und Beratungsinstanz, die nicht nur eine Klarstellung hinsichtlich der unterschiedlichen Dienstleister vornimmt, sondern auch hilft, die richtige Therapeutin/ den richtigen Therapeuten zu finden (Näheres Frage 6).

Piratenpartei

Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass die Ausbildung in Berufen, die therapeutische Leistungen am Menschen erbringen, einem hohen Qualitätsstandard genügen müssen. Wir sehen dies aufgrund fehlender Vorgaben und einheitlicher Ausbildungskriterien im Bereich der psychotherapeutischen Heilpraktikerausbildung derzeit nicht gegeben. Zumindest müssen in diesem Bereich Mindeststandards für die Ausbildung (z. B. im Sinne eines Curriculums) sowie Prüfungskriterien entwickelt werden.

SPD

Patientinnen und Patienten müssen sich gerade aufgrund des enormen Zeitaufwandes einer Therapie darauf verlassen können, dass sie eine qualitativ hochwertige Versorgung erhalten. Wir haben im Positionspapier unserer Bundestagsfraktion zur Weiterentwicklung der Versorgung psychisch Kranker die Erhöhung der diagnostischen Qualität und Behandlung im Rahmen eines Erstversorgungsangebots unterstrichen. Beispielsweise durch ein Recht auf ein Zweitmeinungsverfahren vor dem Einsetzen einer Langzeitbehandlung. Hat die Patientin oder der Patient Zweifel an dem von der Therapeutin oder dem Therapeuten vorgeschlagenen Verfahren, so hat sie oder er das Recht auf eine weitere Begutachtung ihres bzw. seines Falles.

Durch eine Feststellungsprüfung der diagnostischen Sicherheit und des fachlichen Verhaltens können Heilpraktikerinnen die „Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie“ erlangen. Die zuständige Aufsichtsbehörde (Landratsamt, Gesundheitsamt) erteilt besagte Erlaubnis, die zur Ausübung der Psychotherapie befugt, wie sie auch von approbierten Psychotherapeutinnen ausgeübt wird. Mit Blick auf den wachsenden Bedarf psychotherapeutischer Betreuung sind schnelle Lösungen nicht ratsam. Wir verweisen darauf, dass wir eine Erhöhung der diagnostischen und therapeutischen Qualität zu einem Eckpfeiler unseres Zukunftskonzepts für die psychotherapeutische Versorgung gemacht haben. Vor diesem Hintergrund werden wir diese Anregung in unsere Fachdiskussionen der 18. Wahlperiode berücksichtigen.

3. Neuaufnahme Psychotherapie-Verfahren

Wird Ihre Partei die Aufnahme weiterer wissenschaftlich anerkannter Psychotherapie-verfahren als die bisherigen Richtlinien-Verfahren in den Leistungskatalog der Krankenkassen fordern?

Neue Verfahren - Antworten der Parteien

Bündnis 90/Die Grünen

Über die Anerkennung einer Therapierichtung als Leistung der GKV entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss. Und das ist auch gut so. Denn die Finanzierung einer Leistung durch das Solidarsystem sollte nicht von den Sympathien und Antipathien im Regelfall fachfremder Politikerinnen und Politiker abhängig sein. Das im internationalen Vergleich große Leistungsspektrum der GKV ist nicht zuletzt ihrem Selbstverwaltungscharakter geschuldet.

CDU/CSU

Ziel von CDU und CSU ist, dass alle Patientinnen und Patienten die Therapie erhalten, die sie benötigen. Ist die Wirksamkeit eines Therapieverfahrens wissenschaftlich er-wiesen, werden wir auch für eine sozialrechtliche Anerkennung sorgen. Diesbezüglich bestehende Hindernisse im Psychotherapeutengesetz werden mit der Novellierung genauestens geprüft und, wenn möglich, beseitigt.

Die Linke

DIE LINKE befürwortet grundsätzlich die Aufnahme weiterer Therapieverfahren in den Leistungskatalog der GKV. Allerdings ist dazu eine positive Nutzenbewertung nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin Voraussetzung. Derzeit fallen die berufsrechtliche und die sozialrechtliche Bewertung neuer Therapieformen auseinander. So ist bei den Nicht-Richtlinienverfahren die Vergütung der Ausbildungsbehandlungen schwierig. Hier sieht DIE LINKE Handlungsbedarf. Wenn man eine staatliche Ausbildung ermöglicht, muss auch die Finanzierung der Ausbildungsbehandlungen sicher gestellt sein. Ein abgestimmtes Vorgehen ist erforderlich. Ob dies am besten durch die im Arztrecht übliche Vorgehensweise – Sozialrecht folgt Berufsrecht – erfolgen sollte, ist fraglich. Würde das Sozialrecht dem Berufsrecht folgen, wäre der ausreichende Nutzenbeleg nicht gegeben. Der Einwand, dass im Leistungskatalog auch andere Therapieformen enthalten sind, die nicht über einen ausreichenden Nutzenbeleg nach aktuellen Kriterien verfügen, ist berechtigt. Bislang galt dies auch für die Richtlinientherapien. DIE LINKE setzt sich aber dafür ein, dass auch Leistungen, die bereits Bestandteil des Leistungskatalogs der GKV sind, einer (teilweise erneuten) Nutzenbewertung unterzogen werden, wie dies derzeit bei den Richtlinienverfahren geschieht.

Piratenpartei

Beide Fragen beantworten wir gemeinsam mit unseren folgenden Forderungen:

Die Piratenpartei fordert, dass Maßnahmen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren sind, ihre Wirksamkeit belegen sollen. Dies ist im Bereich psychotherapeutischer Verfahren sicher schwieriger, als beispielsweise bei Medikamenten. Sofern die Verfahren wissenschaftlich nachvollziehbare Hinweise für einen Patientennutzen bieten, kann eine Finanzierung durch die GKV diskutiert werden. Dies sollte jedoch in erster Linie nach wie vor im Rahmen einer fachlichen Prüfung durch den GBA entschieden werden und nicht auf politischer Ebene.

  • Der Nutzen der psychotherapeutischen Sitzung muss in der Dichte der Echtzeit-Interaktion begründet sein, die dementsprechend vergütet wird.
  • Der Psychotherapie muss ein Behandlungsvertrag vorausgehen, in dem Gesprächsinhalte festgelegt werden. Vorrang haben die primär vom Betroffenen als belastend erlebten Beschwerden.
  • Anliegen der Therapie darf nicht das Erzeugen eines speziellen Leidensdruckes sein, nur weil sich der Therapeut auf diese Baustelle spezialisiert hat.
  • Da Gesprächspsychotherapie biografische Inhalte komprimiert bearbeitet und somit auch in Denk- und Verhaltensmuster des Betroffenen eingreift, ist zur erleichterten Recherche nach vorangegangenen Interventionen und ihren Auswirkungen neben dem Videofeedback die vollständige Dokumentation des Gesprächsverlaufs in Textform (per Spracherkennungs-Software) zu gewährleisten.
  • Bei Gruppentherapien sind außerdem Videodokumentationen notwendig, um etwaige Gruppenprozesse, die den Betroffenen beeinflussen, zurückverfolgen zu können.
  • Von sämtlichen Dokumentationen ist dem Betroffenen jeweils eine Kopie zu überlassen, nicht zuletzt um den Therapieprozess zu beschleunigen.
  • Um nicht unnötig Dritte in den Therapieprozess einweihen zu müssen, ist eine entsprechende medientechnische und computerlinguistische Ertüchtigung in die Psychotherapeuten-Ausbildung einzubinden.
  • Für die gezielte Recherche nach psychotherapeutischen Sachverhalten innerhalb der Gesprächsprotokolle ist eine entsprechende semantische Suchmaschine zu schaffen, die gemeinsam mit Betroffenenverbänden genutzt und dadurch gepflegt wird.
  • Es darf kein Herrschaftswissen a la Rote Liste (dem Verzeichnis der in Deutschland rezeptierbaren Medikamente) in der Psychotherapie geben. Um gefährlichem Halbwissen zu begegnen, sind die Sachinhalte innerhalb der Suchmaschine optimiert zu vernetzen.
  • Innerhalb der Suchmaschine sind die jeweiligen Persönlichkeitsrechte zu wahren. Die dazu notwendige Anonymisierung der Daten begrenzt den Vernetzungsgrad der Sachinhalte. Es darf kein Facebook Stigmatisierter werden.

SPD zu 3. und 4.

Die Qualität der Versorgung der Patientinnen und Patienten steht für uns im Vordergrund. Die Entwicklung neuer Therapiemethoden schreitet stetig voran. Die Therapiemethode muss stets der Diagnose bzw. der Art und Schwere der psychischen Störung des Patienten folgen. Hier ist durch die Gemeinsame Selbstverwaltung zu prüfen, ob neue Therapiemethoden Bestandteil des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung werden können. Letztlich kann eine Therapie nur erfolgreich sein, wenn die Entscheidung für eine Therapieform gemeinsam und in Übereinstimmung mit der Patientin oder dem Patienten erfolgt.

4. Überarbeitung Richtlinien-Verfahren

Setzt sich Ihre Partei für die Aufnahme weiterer Psychotherapie-Verfahren als Richtlinien-Verfahren ein bzw. gar für eine Neuregelung, unabhängig vom bisherigen „Schulendenken?“

Neuordnung Verfahren - Antworten der Parteien

CDU/CSU

Für die Psychotherapie-Richtlinie ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zuständig. Es wurde beispielsweise für die systemische Therapie bereits ein Antrag gestellt, so dass sich der G-BA aktuell mit der Aufnahme als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung beschäftigt. CDU und CSU stehen einer Aufnahme grundsätzlich positiv gegenüber, da die Methode bereits vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie anerkannt wurde.

Die Linke

Die GKV sollte jede Leistung bezahlen, die notwendig und zweckmäßig ist, um Erkrankungen zu behandeln oder ihnen vorzubeugen. DIE LINKE hält grundsätzlich am Erlaubnisvorbehalt für ambulante Leistungen fest, denn er gewährleistet eine hohe und bundesweit gleichwertige Qualität der Versorgung. Neue und innovative Leistungen sollten jedoch schnell in den Leistungskatalog überführt werden, wenn ihr Nutzen erwiesen wurde.

5. Hausärzte / Prävention und Früherkennung

Es dauert in der Regel sehr lange, bis Hilfesuchenden einen angemessenen Therapieplatz finden. Hausärzte könnten eine wichtige Rolle bei Prävention und Früherkennung psychischer Störungen sowie Überweisung an entsprechende Hilfseinrichtungen spielen. Welche Ansätze zu einer (verbindlichen) Ergänzung der Hausarzt-Ausbildung um psychotherapeutische Aspekte oder Diagnoseinstrumente verfolgt Ihre Partei?

Hausärzte - Antworten der Parteien

Bündnis 90/Die Grünen

Der Hausarzt ist für die weitaus meisten Patientinnen und Patienten der erste Ansprechpartner bei psychischen Störungen und auch im weiteren Behandlungsverlauf blieben die meisten ausschließlich bei ihm. Deshalb sind mehr psychotherapeutische Kenntnisse bei den Hausärztinnen und -ärzten unbedingt erforderlich. Allerdings wird vielen ihr Bedarf in dieser Richtung erst während ihrer Tätigkeit bewusst. Deshalb sind mehr passgenaue Weiterbildungsangebote notwendig, die die begrenzten zeitlichen Ressourcen der Hausärztinnen und -ärzte berücksichtigen. Außerdem braucht es Netzwerke innerhalb derer die Hausärzte sich Beratung und Unterstützung von Psychotherapeutinnen und -therapeuten einholen können.

CDU/CSU

Aufgabe des Hausarztes ist es auch psychische Störungen so frühzeitig wie möglich zu erkennen. Bei konkreten Vorschlägen von den Fachleuten, inwiefern die Hausarzt-Ausbildung um psychotherapeutische Aspekte oder Diagnoseinstrumente verbessert werden kann, werden CDU und CSU diese intensiv prüfen und umsetzen, wenn sie sinnvoll sind.

Die Linke

Die zwischenmenschliche Zuwendung gerade von Hausärztinnen und Hausärzten spielt für den Heilerfolg ihrer Therapien, aber auch für das Wohlbefinden (vgl. Gesundheitsbegriff der WHO) ihrer Patientinnen und Patienten insgesamt eine große Rolle. Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner haben aufgrund ihres engen Patientenkontakts und ihrer Vertrauensstellung die Möglichkeit, eine mögliche psychische Erkrankung anzusprechen und sollten ihre Anzeichen daher kennen - nicht zuletzt um psychosomatische Zusammenhänge erkennen zu können. DIE LINKE spricht sich daher für eine Aufwertung der „sprechenden Medizin“ im Verhältnis zur Apparatemedizin aus, die sich auch in den Ausbildungsinhalten widerspiegeln muss.

Piratenpartei

Die Piratenpartei setzt sich für niederschwellige Angebote für Menschen mit psychischen Störungen oder dem Verdacht einer psychischen Beeinträchtigung ein. Weiterhin fordern wir, dass Ärzte in allen Fachbereichen, in denen sie mit Betroffenen mit psychiatrischen Diagnosen konfrontiert sind, vor allem aber in der Notfallmedizin, ausführliche und fortlaufende psychiatrische Weiterbildungen erhalten.

Besonders wichtig ist auch eine fundierte Ausbildung und Training von Fähigkeiten in Krisenintervention und Deeskalation von Ärzten, Polizei und Rettungsdienstpersonal. Diesen Inhalten muss bereits frühzeitig, also noch während des Studiums oder der Ausbildung, mehr Bedeutung beigemessen werden.

Neben dem Ausbau von Beratungsstellen für Menschen mit psychischen Störungen und die bessere Berücksichtigung von psychischen Störungen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärzten und medizinischem Personal fordert die Piratenpartei die Bereitstellung eines Internetangebotes vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit folgendem Inhalt:

  • Datenbank aller praktizierenden Psychiater, Ärztlicher und Psychologischer
  • Psychotherapeuten, Psychologen sowie aller psychiatrischen Fachkrankenhäuser mit:
  • Adressen,
  • Wartezeiten/Anzahl freier Sprechstunden/Anzahl freier Plätze,
  • Fachgebiet und
  • Spezialgebiet
  • Vorstellung und Erklärungen von Therapieangeboten und
  • Anträge zum Download und Antragserklärungen.

An dieses Internetangebot soll eine Telefonhotline angeschlossen sein, die zu den Inhalten ebenfalls Auskunft geben kann. Die inhaltliche Ausgestaltung soll koordinierend vom BMG mit fachlicher Kompetenz erfolgen. Häufig lässt sich erst nach ein paar Probesitzungen feststellen, ob Klient und Therapeut zusammen passen.

SPD

Unter Punkt 3.3 des besagten Positionspapiers zur Weiterentwicklung der Versorgung psychisch Kranker - Erstversorgung ausbauen, Qualität stärken! – (siehe Frage 1) wird die besondere Rolle der Versorgung psychisch kranker Menschen durch Hausärztinnen und Hausärzte unterstrichen. Ihre Aufgabe ist es, die Patientinnen und Patienten durch das Gesundheitssystem zu lotsen und zu unterstützen. Schließlich kennen sie nicht nur die allgemeinen Beschwerden, sondern auch die Lebensumstände ihrer Patientinnen und Patienten. So registriert die Hausärztin oder der Hausarzt genau, wenn sich Krankschreibungen häufen. In diesem Zusammenhang sind die verantwortlichen Akteure der ärztlichen Selbstverwaltung dazu aufgefordert, der psychosomatischen Grundversorgung und Krankheitsbildern wie Depressionen oder Demenz in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung einen größeren Stellenwert einzuräumen.

6. Ausbau von Beratungsstellen

Psychisch kranke Menschen sind bei der Suche nach einem Therapieplatz häufig auf sich alleine gestellt und überfordert. Erschwerend kommt hinzu, dass in der Psychotherapie anders als in der Medizin, die „Passung“ zwischen Patient und Behandler eine wesentliche Rolle spielt. Ein erheblicher Anteil der stattfindenden Psychotherapie bleibt deshalb ineffektiv. Aufklärung und Beratung tun Not. Plant Ihre Partei die Einrichtung und/oder Förderung neutraler Beratungsstellen?

Beratungsstellen - Antworten der Parteien

CDU/CSU

Mit der unabhängigen Patientenberatung haben CDU und CSU nach einer zehnjähri-gen Modellphase zum 1. Januar 2011 ein bundesweites Angebot, mit dem Experten kostenlos um Rat gefragt werden können, umgesetzt. Dieses wird auch in muttersprachlicher Form für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte vorgehalten. Wichtig ist aber auch die gute Qualifikation derjenigen, die psychotherapeutische Leistungen anbieten. Sofern dies auf Bundesebene möglich ist, werden CDU und CSU sich daher für einheitliche Ausbildungsstandards einsetzen, damit überall in Deutschland ein gleich hohes Behandlungsniveau gewährleistet wird. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Versorgung der Patienten qualitativ hochwertig und zielorientiert verläuft.

Die Linke

Momentan ist es weitgehend dem Zufall überlassen, zu welcher Psychotherapierichtung Patientinnen und Patienten als erstes gelangen, da sie selbst in der Regel nicht wissen, welches Verfahren für sie am sinnvollsten ist. Ebenso ist es dem Zufall überlassen, ob Hilfesuchende zuerst an einen Arzt oder an einen psychologischen Psychotherapeuten bzw. -therapeutin gelangen. Es liegen keine Daten darüber vor, wie häufig die Erstbehandelnden Patientinnen und Patienten zu einer anderen Therapierichtung oder einem anderen Grundberuf verweisen, aber es muss davon ausgegangen werden, dass dies selten geschieht. DIE LINKE befürwortet daher die Einrichtung einer Beratungsinstanz, die Patientinnen und Patienten dabei unterstützt, das für sie passende Therapieverfahren und freie Therapieplätze zu finden. Wichtig ist, dass diese Beratung nicht interessensgeleitet stattfindet, sondern allein den Nutzen für die einzelne Patientin oder den Patienten im Blick hat. Solche Beratungsstellen könnten an die Kassenärztlichen Vereinigungen oder die Unabhängige Patientenberatung UPD angebunden sein und es muss geprüft werden, ob und wie eine telefonische Beratung eingebunden werden kann. Grundsätzlich muss ein solches Beratungsgespräch durch hochqualifiziertes Personal und qualitätsgesichert stattfinden.

SPD

Unter Punkt 3.8 des Positionspapiers zur Weiterentwicklung der Versorgung psychisch Kranker - Erstversorgung ausbauen, Qualität stärken! – (siehe Frage 1) wird beispielsweise die Schaffung einheitlicher Informationsdienste für Therapiekapazitäten gefordert. Vor dem Hintergrund der als notwendig erachteten Umstrukturierung von Therapiekapazitäten und unserem Anspruch zur Schaffung von mehr Versorgungstransparenz, müssen die vorhandenen therapeutischen Ressourcen für die Patientinnen und Patienten abrufbar gemacht werden. Bereits heute unterhalten verschiedene Bundesländer in Kooperationen mit ihren Psychotherapeutenkammern internetgestützte Informationssysteme (etwa www.psych-info.de; www.ipsis.de) über vorhandene Therapiekapazitäten vor Ort. Ein solches Informationssystem ist wegweisend zur Erfassung von Langzeittherapiekontingenten in der Zukunft. Leider steht ein solcher Service nicht allen Patientinnen und Patienten deutschlandweit zur Verfügung. Wir wollen daher zusammen mit den verantwortlichen Akteuren ein derartiges und flächendeckendes Informationssystem für Therapiekapazitäten in ganz Deutschland schaffen und damit die Patientinnen und Patienten unterstützen. Ein solches System bietet auch die Möglichkeit der unmittelbaren Evaluierung der Versorgungsrealität und bildet damit auch die Grundlage für ein zeitnahes Gegensteuern der Akteure vor Ort.

7. Offene Sprechstunden

Wie steht Ihre Partei zur Einführung einer "offenen" Sprechstunde in Psychotherapeutischen Praxen - ähnlich der Hausarzt-Sprechstunde?

Sprechstunde - Antworten der Parteien

Bündnis 90/Die Grünen

„Offene“ Sprechstunden, in denen die Patientinnen und Patienten eine erste Beratung und Hinweise auf Behandlungsmöglichkeiten erhalten können, sind sicherlich ein sinnvolles Angebot. Allerdings lassen sie sich nicht vom Gesetzgeber oder der Bundesregierung verordnen.

CDU/CSU

Der einfache Zugang zur psychotherapeutischen Behandlung und damit auch zu psychotherapeutischen Sprechstunden ist uns wichtig. Daher ist gegen eine Sprechstunde, in welcher der Patient ohne Termin kommen kann nichts zu sagen. CDU und CSU sind jedoch nicht der Auffassung, dass diese Einrichtung verpflichtend vorgehalten werden muss. Das sollte der einzelne Therapeut entscheiden können. Für viele ist es der gangbarere Weg, vorher einen Termin zu vereinbaren.

Die Linke

Im Gegensatz zur hausärztlichen Praxis, in der bereits die Kurzberatung abgerechnet werden kann, können in der psychotherapeutischen Praxis kurze Interventionen nicht abgerechnet werden, sondern lediglich probatorische Sitzungen und Therapie. Deshalb finden offene Sprechstunden in Psychotherapiepraxen in der Regel nicht statt. In bestimmten Fällen könnte eine offene Sprechstunde durchaus sinnvoll sein. Zum Beispiel im Falle von kritischen Situationen, wenn ein Hilfesuchender in direkten Kontakt mit einem Psychotherapeuten treten kann, der dann gegebenenfalls den Besuch einer Klinik empfiehlt. Mit Hilfe von kurzen Interventionen in einer offenen Sprechstunde könnten nichtprofessionelle Angebote der Selbsthilfe begleitet werden. Der Nutzen von offenen Sprechstunden in der Psychotherapie sollte evaluiert werden und bei positivem Befund auch finanziell ermöglicht werden. Darüber hinaus unterstützt DIE LINKE den Vorschlag, ein unabhängiges Beratungsgespräch über Art und Notwendigkeit einer psychotherapeutischen/psychiatrischen Therapie durch Beratungsstellen zu ermöglichen (vgl. Antwort auf Frage 6).

Piratenpartei

Die Piratenpartei setzt sich für niederschwellige Angebote zur Behandlung von psychischen Störungen ein. Daher kann auch ein solches Modell nur befürwortet werden. Dazu ist jedoch die bestehende Unterversorgung in vielen Regionen zunächst zu beseitigen, damit die entsprechende Kapazität zur Verfügung steht. Diese Angebote müssen auch ohne lange Anfahrtswege Skype ähnlich nutzbar sein.

SPD

Unter Punkt 3.4 des Positionspapiers zur Weiterentwicklung der Versorgung psychisch Kranker - Erstversorgung ausbauen, Qualität stärken! – (siehe Frage 1) wird die Schaffung eines niedrigschwelligen Erstversorgungsangebots gefordert. Die höchste Hürde von Menschen mit krankhaften psychischen Episoden besteht in der Selbstüberwindung, sich Hilfe zu suchen. Voraussetzung dafür ist, dass sie vorhandene Angebote kennen und dass diese mit niedrigschwelligen Zugängen versehen sind. Moderne Erstversorgungsmodelle werden im Ausland bereits erfolgreich praktiziert. Zentrale Aufgabe eines Erstversorgungsangebots muss es sein, für die Stabilisierung des Patienten bis zum Einsetzen einer gegebenenfalls notwendigen Langzeittherapie Sorge zu tragen, um eine Verschlimmerung des Zustandes zu verhindern. Darüber hinaus muss:

  • Der Umfang und vor allem die Dringlichkeit einer psychischen Störung diagnostiziert werden.
  • Transparenz über die verschiedenen Formen der Versorgung hergestellt werden.
  • Die für den einzelnen Patienten am geeignetsten erscheinende Therapieform bestimmt werden, um damit die maximale Qualität der weiterführenden Behandlung zu gewährleisten.

8. Stigmatisierung

Mit welchen Maßnahmen möchte Ihre Partei der nach wie vor weit verbreiteten Stigmatisierung von psychisch Kranken entgegenwirken?

Stigmatisierung - Antworten der Parteien

Bündnis 90/Die Grünen

Stigmatisierung und die Isolation psychisch Kranker in Sondereinrichtungen sind eng miteinander verbunden. Deshalb stehen wir GRÜNE für mehr gemeindenahe Versorgungsformen, die die Betroffenen möglichst weitgehend in ihrem Alltag belassen und unterstützen. Besonders wichtig sind dafür innovative Finanzierungssysteme, wie Regionalbudgets, die die starren Grenzen zwischen stationären und ambulanten Versorgungsformen überwinden und ihre Vernetzung ermöglichen. Die dafür erforderlichen rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen wollen wir weiter entwickeln.

CDU/CSU

Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) haben CDU und CSU vier EU-Richtlinien umgesetzt; der Schutz vor Diskriminierung oder Benachteiligungen ist in Deutschland besonders hoch. Ob darüber hinaus ein Regelungsbedürfnis bezüglich Diskriminierungsschutz für psychisch Erkrankte bestehen könnte, werden wir genau beobachten, denn aus Einzelfallentscheidungen allein lässt sich noch kein gesellschaftliches Bedürfnis nach einer Erweiterung des AGG ableiten.

Die Linke

Die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen ist nach wie vor ein großes Problem. DIE LINKE fordert die Aufnahme von chronischen Erkrankungen in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Damit wären auch die meisten psychisch Erkrankten gesetzlich gegen Diskriminierung etwa in der Arbeitswelt geschützt. Wir wollen auch den Blick für soziale und gesellschaftliche Einflüsse auf die psychische Gesundheit schärfen. Psychische Erkrankungen werden allzu oft noch mit persönlichem Versagen assoziiert, dabei hat die oder der Einzelne auf familiäre, soziale und andere Determinanten nur wenig direkten Einfluss. Auch hier muss eine gesundheitsförderliche Politik ansetzen, die Krankheit nicht einseitig individualisiert und damit zu ihrer Entstigmatisierung beiträgt.

Piraten Partei

Die Piratenpartei setzt sich für eine umfassende gesundheitliche Aufklärung als nächsten Schritt einer sozialen Inklusion von Menschen mit psychischen Störungen ein. In den Fokus der Aufklärung sollen vor allem jene Störungsbilder gerückt werden, die häufig von Vorurteilen und Ausgrenzungen betroffen sind und dadurch die Lebensqualität und medizinische Therapie der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.

Zusätzlich sollen auch die möglichen Behandlungs- und komplementären Hilfsangebote und Einrichtungen in die Aufklärung einbezogen werden, um die Akzeptanz solcher in der Bevölkerung zu stärken und auch die Nutzung der Möglichkeiten, gleich ob stationär, teilstationär oder ambulant, mit weniger persönlichen Bedenken und Vorbehalten zu ermöglichen. Letztlich steht auch die Aufklärung der Betroffenen selbst im Blickpunkt der Piratenpartei, vor allem über ihre rechtlichen Ansprüche sowie Hilfsangebote.

Die Piratenpartei sieht die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) als geeignete Stelle zur Koordinierung und Organisation der umfassenden Aufklärung. Die Piratenpartei sieht aber auch hier vor allem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Pflicht, aber auch die privaten Sendeanstalten, Print- und Onlinemedien, ihren gesellschaftlichen Beitrag für eine wirksame gesundheitliche Aufklärung zu leisten.

Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Vermittlung der Botschaft liegen, dass Menschen mit psychischen Störungen ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft sind. (Wahlprogramm)

SPD

Die Betroffenen leiden in dieser Gesellschaft immer noch stark unter Formen von Stigmatisierung. Es fällt psychisch kranken Menschen deshalb oftmals schwer, sich Hilfe zu suchen. Deshalb arbeiten wir an der Verwirklichung einer inklusiven Gesellschaft. Menschen mit Behinderungen benötigen die für sie notwendige Versorgung, die nach ihren spezifischen Erfordernissen weiterzuentwickeln ist.

Unsere Bundestagsfraktion hat im Antrag: UN-Konvention jetzt umsetzen – Chancen für eine inklusive Gesellschaft nutzen (BT-Drs.:17/7942) einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorgelegt, den wir nach Regierungsübernahme umsetzen werden. Der Antrag geht dezidiert auf Fragen des selbstbestimmten Lebens mit Behinderung und chronischer Erkrankung, der Assistenz oder Mobilität sowie auf die Herausforderungen im Arbeitsleben, der beruflichen Rehabilitation und sozialen Sicherung ein.

  • UN-Konvention jetzt umsetzen – Chancen für eine inklusive Gesellschaft nutzen (BT-Drs.: 17/7942)

9. Aufklärung

Welche weiteren Ziele verfolgt Ihre Partei, um die Versorgung der Betroffenen durch eine gezieltere und umfassendere Aufklärung von Betroffenen zu verbessern?

Aufklärung - Antworten der Parteien

Bündnis 90 / Die Grünen

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen, dass Bund und Länder unter Einbeziehung aller Akteure zur Behebung der bestehenden Defizite einen Aktionsplan zur Weiterentwicklung der gesundheitlichen Versorgung bei psychischen Erkrankungen entwickeln.

CDU/CSU

Aufklärung über Krankheit und Versorgungsstrukturen ist uns wichtig. Daher haben CDU und CSU bereits mit dem Gesetzentwurf zur Förderung der Prävention beschlossen, dass künftig mehr Menschen als bisher von qualitätsgesicherten Gesundheitsförderungsangeboten und Präventionsleistungen profitieren. Damit der Zugang den Bürgerinnen und Bürgern leicht gemacht wird, setzen CDU und CSU nicht allein bei den Kursen der Krankenkassen, sondern insbesondere in Lebenswelten wie Schulen und Kitas aber auch am Arbeitsplatz an. Denn insbesondere in Betrieben kann anhand der individuellen Belastung die Aufklärung gezielt und zielgenau erfolgen.

Die Linke

DIE LINKE unterstützt die Schaffung von Beratungsstellen (siehe Frage 6), damit sich Betroffene umfassend informieren können. Darüber hinaus sollten auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigungen, der Krankenkasse und der Kammern soweit noch nicht geschehen ausgiebige und verständliche Informationen veröffentlicht werden. Neben den Betroffenen selbst geht es auch um die Beratung und Betreuung von Angehörigen. Die Betreuung von Angehörigen psychisch kranker Menschen ist verbesserungsbedürftig. Zu schnell wird vergessen, dass etwa Kinder von depressiven Eltern häufig unter einem enormen Druck stehen. Das trifft aber auch auf Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner zu, auf Eltern von psychisch kranken Kindern, auf Angehörige, die psychisch kranke Menschen pflegen. Es sollte hier ein flächendeckendes Hilfeangebot die Überforderung von Angehörigen verhindern helfen und frühzeitig Begleiterkrankungen zuvor kommen.

Piraten Partei

Neben den bereits unter 5. bis 8. genannten Maßnahmen fordern wir zur Verbesserung der Versorgung und der Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Störungen den Ausbau von psychiatrischen Abteilungen in allgemeinen Krankenhäusern mit dem Ziel, dass alle Kreise und kreisfreien Städte im Sinne der gemeindenahen Psychiatrie mit psychiatrischen Abteilungen mit angeschlossenen Tageskliniken und psychiatrischen Institutsambulanzen versorgt werden.

SPD

Wir verweisen auch bei dieser Frage auf das Positionspapier zur Weiterentwicklung der Versorgung psychisch Kranker - Erstversorgung ausbauen, Qualität stärken! – (siehe Frage 1), wo sich unsere Bundestagsfraktion ausdrücklich für eine bessere Vernetzung, mehr Transparenz und Qualität aller Leistungsangebote sowie eine Stärkung der Rechte der betroffenen Patientinnen und Patienten ausgesprochen hat.

10. Therapeutenausbildung

Wird Ihre Partei konkrete Maßnahmen durchführen, um die teure, langwierige und für Diplom-Psychologen häufig redundante Ausbildung zum Psychotherapeuten zu verbessern? Wenn ja, welche?

Therapeutenausbildung - Antworten der Parteien

Bündnis 90 / Die Grünen

Die Reform der Ausbildung der Psychotherapeutinnen und -therapeuten gehört dringend auf die politische Agenda. Die Bundesregierung ist bisher weitgehend untätig geblieben. Ein 2007 in Auftrag gegebenes Gutachten zur Reform der Ausbildung von psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten kam erst auf unsere Initiative zustande, ist aber ohne praktische Konsequenzen geblieben. Wir wollen diese Reformaufgabe in der nächsten Wahlperiode ergebnisoffen mit allen Beteiligten angehen.

CDU/CSU

CDU und CSU halten eine grundlegende Reform der Ausbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, welche auch die Zugangsvoraussetzungen und die Frage der Vergütung des praktischen Teils der Ausbildung löst, für erforderlich. Für eine Novellierung des Psychotherapeutengesetzes ist jedoch eine Einbindung der Länder erforderlich. Zurzeit wird durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe geprüft, die Ausbildung in Richtung einer Direktausbildung vergleichbar mit dem Medizinstudium weiter zu entwickeln. Sobald umsetzbare Ergebnisse vorliegen, werden CDU und CSU diese schnellstmöglich gesetzgeberisch umsetzen. Sollte die Ausbildung zukünftig in Form einer Direktausbildung organisiert werden, ist ähnlich wie beim Medizinstudium vorstellbar, dass eine Spezialisierung auf ein Verfahren erst nach dem Studium in Form einer Weiterbildung erfolgt.

Die Linke

Das Psychotherapeutengesetz benötigt auf mehreren Ebenen eine Novellierung und diese muss möglichst bald stattfinden. DIE LINKE fordert für die Novellierung einen breiten und durchlässigen Zugang zur Psychotherapieausbildung. Es muss sichergestellt sein, dass Studierenden mit angrenzenden Studienfächern der Weg in die Psychotherapieausbildung z.B. durch zusätzliche Qualifikationen offen steht. Eine Reform muss gewährleisten, dass die Methodenvielfalt in der Psychotherapie in Abstimmung mit der Erstattungsfähigkeit von psychotherapeutischen Leistungen gewahrt bzw. neu belebt wird. Ganz wichtig ist uns, dass die praktischen Tätigkeiten in der Ausbildung angemessen vergütet werden. Darüber hinaus ist zu gewährleiste, dass Redundanzen möglichst verringert werden. Dies ist durch eine Direktausbildung möglich oder durch die geregelte Anerkennung von Studieninhalten, falls die Psychotherapie weiter als Weiterbildung absolviert werden wird. Letztlich ist es aus unserer Sicht nicht erheblich, ob die Ausbildung in Form einer Direktausbildung zum Psychotherapeuten oder in Form eines Studienabschlusses mit nachfolgender Weiterbildung absolviert wird. Beide Modelle bieten Vor- und Nachteile und die Möglichkeit, eine gute Psychotherapieausbildung umzusetzen.

Piraten Partei

Das Psychologiestudium bietet eine Reihe von möglichen Schwerpunkten an. Daher muss die Therapeutenausbildung sicherstellen, dass die für die therapeutische Arbeit notwendigen Grundlagen ausreichend vermittelt werden. Sofern die entsprechenden Schwerpunkte im Studium dies bereits geleistet haben, kann eine Anerkennung im Rahmen der Therapeutenausbildung diskutiert werden. Hier sind allerdings die Fachgesellschaften gefragt, eine entsprechende Reform der Therapeutenausbildung zu diskutieren und anzustoßen.

SPD

Unter Punkt 3.10 des Positionspapiers zur Weiterentwicklung der Versorgung psychisch Kranker - Erstversorgung ausbauen, Qualität stärken! – (siehe Frage 1) wird sich für eine dringend notwenige Novelle des Psychotherapeutengesetzes ausgesprochen. Die gegenwärtigen Aus- und Weiterbildungsstrukturen für Psychotherapie müssen dringend an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden. So haben sich die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausbildung als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut durch den Bologna-Prozess verändert. Darüber hinaus wird in der Fachöffentlichkeit eine Diskussion darüber geführt, ob nicht ein Direktstudium der Psychotherapie den wachsenden Anforderungen an die Versorgung der Patientinnen und Patienten besser gerecht werden könnte. Das Psychotherapeutengesetz (PsychThG) muss zunächst mit Blick auf die bisher praktizierten Ausbildungswege dringend reformiert und an die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge angepasst werden.