Mit Freundschaften besser durchs Leben gehen

Was Freunde besonders und wichtig macht

22.01.2025 Von Angelika Völkel

Schon seit Wochen dachte Rita H. an das jährliche Treffen mit ihren ehemaligen Mitstreiter:innen von der Universität. Einmal im Jahr trafen sich die Mitglieder der ehemaligen Lerngruppe für ein Wochenende. Neben aktuellen Themen aus dem Bereich der Kunstgeschichte tauschten sich die Gruppenmitglieder natürlich auch darüber aus, was privat gerade bei jeder und jedem ablief. Ihr fiel auf, dass sie dieses Mal keinerlei Nachricht bekommen hatte, wann und wo das nächste Treffen stattfinden würde. 

Zwei Jahre hatte sie schon nicht teilgenommen. Seit es ihr gelungen war, in einem renommierten Museum zu einer Kuratorin aufzusteigen, konzentrierte sie sich ausschließlich auf diese Aufgabe.

Immerhin besuchte sie ab und zu Treffen ihrer Familie. Ihrer Mutter war während der Weihnachtsfeiertage aufgefallen, dass ihre Tochter sehr angespannt wirkte und irgendwie auch gedrückt. Es gelang ihr, mit Rita ins Gespräch zu kommen. Nach und nach vertraute ihr ihre Tochter an, dass der Wettbewerb im Job unendlich viel Energie koste und sie keinerlei Privatleben mehr habe. Die Mutter machte ihr deutlich, wie gefährlich so ein Leben sei: Keine enge Beziehungen mehr zu Menschen zu haben, bedeutete zu vereinsamen, sich auszulaugen. Das sei kein Job wert. 

Als sie wieder zuhause war, forstete sie ihre Adressen durch und prüfte ihre Social-Media-Kanäle: Sie hatte oft nicht geantwortet, obwohl nette Nachfragen kamen, sie war Einladungen meistens nicht gefolgt. Sie hatte sich im Grunde nie damit beschäftigt, dass auch Freundschaften der Pflege bedürfen. In diesem Jahr wollte sie alles anders machen, sie wollte unter Leute gehen, sie wollte ein Privatleben führen. Als erstes meldete sie sich bei ihrer ehemaligen Lerngruppe und erkundigte sich, wann das nächste Treffen stattfinden würde. 

Freunde stehen hoch im Kurs

Freunde sind da, wenn es einem schlecht geht, mit guten Freunden kann man durch dick und dünn gehen, so heißt es. In Beethovens neunter Sinfonie singt der Chor im Schlusssatz sogar eindrucksvoll „Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein … stimme in den Jubel ein“. Die Musik nimmt dabei den enthusiastischen Ton der Ode von Friedrich Schiller, der Textvorlage dieses Chorals, auf und übertrifft ihn sogar in ihrer majestätischen und prunkvollen Klangsprache. Seit Menschengedenken wird der Freundschaft mit Reimen, Musik oder philosophischen Worten gedacht. 

Freundschaft, das scheint etwas ethisch Herausragendes zu sein, etwas, das einen über alle Hürden des Lebens tragen kann. Die meisten gehen wohl trotzdem nicht so weit, dass sie Freundschaft im Sinne des Philosophen Aristoteles in völliger Selbstlosigkeit leben möchten. Sie sind froh, wenn sie jemanden haben, dem sie ihre Sorgen klagen, freudige Ereignisse mitteilen oder einfach Freizeitinteressen teilen können.

Was ist Freundschaft?

Wissenschaftlich wird Freundschaft definiert als eine freiwillige Beziehung zwischen zwei oder mehr Personen, die relativ lange anhält und in der die Beteiligten daran interessiert sind, die Bedürfnisse und Interessen des anderen zu erfüllen und gleichzeitig die eigenen Wünsche zufriedenzustellen. Freundschaften entwickeln sich häufig durch gemeinsame Erlebnisse, bei denen die Beteiligten erfahren, dass ihr Umgang miteinander für beide Seiten bereichernd ist.

Leben ohne Freunde so schädlich wie Zigaretten

Freunde zu haben, das macht das Leben reicher, und es ist sogar für die Gesundheit von Vorteil. Forscher der australischen Flinders-Universität beispielsweise fanden heraus, dass freundschaftliche Kontakte das Immunsystem stärken und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen senken. Ein Leben ohne Freunde dagegen wirkt sich auf die Gesundheit so schädlich aus wie Zigarettenkonsum und ist sogar schädlicher als Übergewicht.

Eine großangelegte Studie, die 323.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 99 Ländern umfasste, untersuchte, wie sich Freundschaften auf die Gesundheit, das Glück und das Wohlbefinden von Menschen auswirken. Dabei wurden von den Forschenden der Columbia University, New York, und der Michigan State University, East Lansing, verschiedenste Daten verwendet, zum Beispiel zu Gesundheit und Lebenszufriedenheit, auch zu wirtschaftlichen und kulturellen Variablen. Sie untersuchten den Zusammenhang dieser Faktoren mit der Wertschätzung von Freundschaft. Der kulturelle und soziale Einfluss auf die Bedeutung von Freundschaft wurde bisher nur in wenigen Studien berücksichtigt.

Ein Ergebnis dieser Studie, die im Januar 2021 im Fachmagazin „Frontiers of Psychology" veröffentlicht wurde, ist: Freunde spielen eine bedeutende Rolle für das geistige und körperliche Wohlbefinden der Menschen. Das Ausmaß, wie sehr Menschen in Freundschaften investieren oder investieren können, kann jedoch je nach Umfeld und Kultur unterschiedlich sein. Laut Studienergebnis messen Frauen, Menschen mit höherem Bildungsniveau sowie Menschen aus Ländern mit geringer Ungleichheit und hohem Wohlstand Freundschaften eine höhere Bedeutung bei.

Auch die Ergebnisse einer Statistik, die das Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) Institut jedes Jahr durchführt, zeigen regelmäßig: Gute Freunde und enge Beziehungen nehmen mit knapp 85 Prozent die Spitzenreiterposition in der Befragung ein, was man persönlich im Leben für besonders wichtig und erstrebenswert erachtet. Demgegenüber steht mit vergleichsweise nur 75 Prozent eine glückliche Partnerschaft.