Psychische Erkrankungen im Alter (Seite 7/10)

Alkoholmissbrauch und -sucht sinken im Alter

Gefahr durch Wechselwirkungen mit Medikamenten droht

Die Alkoholkrankheit (auch Alkoholabhängigkeit, Trunksucht, Alkoholsucht oder Alkoholismus genannt) ist die Abhängigkeit vom Trinkalkohol. Das Leben wird zunehmend bestimmt von Alkoholbeschaffung und –konsum. Kennzeichnend ist ein fortschreitender Verlust der Kontrolle über das Trinkverhalten bis zum zwanghaften Konsum. Auch werden frühere Interessen zu Gunsten des Trinkens vernachlässigt, das Suchtverhalten geleugnet, bei reduziertem Konsum treten Entzugserscheinungen auf. Ebenso sind Toleranz gegenüber Alkohol („Trinkfestigkeit“) sowie Veränderungen der Persönlichkeit zu beobachten. In Europa werden gut 7 Prozent der gesundheitlichen Störungen und vorzeitigen Todesfälle auf Alkohol zurückgeführt. Nach Tabakkonsum und Bluthochdruck steht die Alkoholkrankheit an dritter Stelle als Ursache für vorzeitiges Sterben.

Das Abhängigkeitssyndrom ist zu unterscheiden vom schädlichen Gebrauch von Alkohol (oder Alkoholmissbrauch). Eine solche Diagnose wird gestellt, wenn noch kein Abhängigkeitssyndrom besteht, aber dem Betroffenen (oder seinem sozialen Umfeld) durch den Alkoholkonsum körperliche oder psychische Schäden entstanden sind. Für diese Diagnose muss das schädliche Gebrauchsmuster seit mindestens einem Monat bestehen oder über ein Jahr hinweg wiederholt aufgetreten sein. ( Alkoholsucht )

Häufigkeit und Verlauf

Insgesamt nimmt der Konsum von Alkohol im höheren Lebensalter ab, und auch die Zahl der Menschen, die ein Alkoholproblem haben, ist bei älteren Menschen geringer als bei jüngeren. Schätzungen zufolge leiden sechs Prozent der Menschen über 60 Jahre an einem therapiebedürftigen Alkoholproblem.

Symptome

Eine Besonderheit bei erhöhtem Alkoholkonsum im höheren Lebensalter ist, dass Alkohol bei alten Menschen langsamer abgebaut wird, so dass die Wirkung stärker ausfallen kann und es schneller zu körperlichen Schädigungen kommt. Außerdem nehmen viele ältere Menschen eine Reihe von Medikamenten, so dass Alkohol hier zu unerwünschten und zum Teil gefährlichen Wechselwirkungen führen kann.

Bei ausgeprägtem Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit im höheren Lebensalter kommt es häufig zu typischen „Alterssymptomen“, zum Beispiel häufigen Stürzen, einer ausgeprägten Fehlernäherung oder Blaseninkontinenz. Außerdem lassen sich oft psychische Veränderungen beobachten – zum Beispiel Verwirrtheitszustände, eine geringe kognitive Leistungsfähigkeit, Motivations- und Interessenlosigkeit, Schlafstörungen und ein verändertes Verhalten, das sich in Reizbarkeit oder einem häufigen Verstoß gegen Regeln zeigen kann.

Starker und lang andauernder Alkoholkonsum kann außerdem zu Folgeerkrankungen führen. Dazu gehören Entzugssymptome, bei denen auch Symptome eines Delirs (wie etwa Verwirrtheit, Orientierungsstörungen, Schlafstörungen) auftreten können, psychotische Symptome wie Wahn oder Halluzinationen, starke Gedächtnisstörungen (so genanntes Wernicke-Korsakow-Syndrom) und Symptome einer Demenz.

Ursachen

Zur Entstehung einer Alkoholproblematik können biologische Faktoren und die Tatsache, dass Alkohol leicht verfügbar und gesellschaftlich akzeptiert ist, beitragen. Daneben spielen psychische Faktoren eine wichtige Rolle. So wird Alkohol häufig getrunken, um Stress und psychische Belastungen zu handhaben. Die alkoholabhängigen Senioren können in zwei Gruppen unterteilt werden. Der eine Teil trinkt seit langem, oft schon seit Jahrzehnten regelmäßig Alkohol in großen Mengen. Andererseits können die besonderen psychischen Belastungen und Verlusterlebnisse im höheren Lebensalter (siehe oben) dazu beitragen, dass Menschen erst in höherem Alter eine Alkoholproblematik entwickeln. Schätzungen besagen, dass 30 – 50% der Älteren erst ab dem 60. Lebensjahr mit dem Problemtrinken begonnen haben.

Diagnose

Die Diagnosestellung erfolgt ähnlich wie bei jüngeren Menschen. Es werden die Symptomatik und die Krankengeschichte im Gespräch mit den Patienten erfasst, wobei häufig Screening-Fragebögen und standardisierte Interviews zum Einsatz kommen. Bei älteren Menschen, die durch die Alkoholproblematik stark beeinträchtigt sind, ist es oft notwendig, die Angehörigen mit zu befragen.

Durch eine Untersuchung der Leber- und Blutwerte wird festgestellt, wie stark die körperlichen Schädigungen durch den Alkoholkonsum ausgeprägt sind. Gleichzeitig wird überprüft, ob ein Mangel an bestimmten Vitaminen und Spurenelementen vorliegt, was teilweise zu gefährlichen Mangelsymptomen führen kann.

Schließlich werden auch mögliche Folgeerkrankungen der Alkoholproblematik erfasst. Dazu gehören Leberschäden, Störungen des Stoffwechsels und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, aber auch hirnorganische Erkrankungen wie das Wernicke-Korsakoff-Syndrom.

Therapie

Entzugs- und Entwöhnungstherapie

Wenn eine Alkoholabhängigkeit besteht, wird zunächst eine – meist stationäre – Entzugs- und Entwöhnungstherapie durchgeführt. Während der Entzugsphase muss der Patient vollständig auf Alkohol verzichten und erhält gleichzeitig Medikamente, um die Entzugssymptome zu mildern. Im Rahmen der Entwöhnung lernt der Betroffene in Einzel- und Gruppengesprächen, die Hintergründe seines Alkoholkonsums zu verstehen und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln. Die Behandlung läuft bei älteren Menschen ähnlich ab wie bei jüngeren. Eine Besonderheit ist jedoch, dass die Therapie bei älteren Patienten behutsamer durchgeführt wird und meist längere Zeiträume benötigt werden, um einen anhaltenden Behandlungserfolg zu erreichen.

Psychotherapie

Auch eine Psychotherapie gestaltet sich bei älteren Erwachsenen mit einem Alkoholproblem ähnlich wie bei jüngeren. Am Anfang steht dabei eine motivierende Gesprächsführung, die den Betroffenen deutlich macht, wie wichtig es ist, zukünftig auf Alkohol zu verzichten. Als Behandlungsformen können Ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie, der interpersonellen Therapie, der tiefenpsychologischen Therapie und Ansätze der Psychoedukation zum Einsatz kommen. Selbsthilfegruppen sind für viele Betroffene hilfreich, um Therapieerfolge – insbesondere die Abstinenz – langfristig aufrechtzuerhalten.

Wichtig bei der Therapie mit alkoholkranken älteren Menschen ist, dass der Behandler anstelle eines konfrontativen Stils einen eher behutsamen und akzeptierenden Therapiestil verwendet. Dabei sollte er immer wieder die Lebenserfahrung und die Lebensleistungen des Patienten ansprechen und wertschätzen. Diese können wichtige Ressourcen sein, um die Alkoholproblematik zu bewältigen.